Vom Warten und Werden
Warteschlangen kennen wir ja von DDR-Zeiten, wenn es Bananen oder Westplatten gab. Hier in Südamerika erleben wir die Warterei nicht nur neu. Hier ist sie allgegenwärtig, gehört einfach dazu. Den Gipfel erreichen wir Freitag (8.2.2013) – und deshalb kann ich erst jetzt wieder posten. Aber der Reihe nach, auf das Highlight müsst nun ihr etwas warten.
Los ging es gleich nach der Landung: Eine geschlagene Stunde haben wir mit bangem Warten verbracht, bis unsere Rucksäcke endlich auf dem Gepäckband aufgetaucht sind. Kurz nachdem die beiden bereits knackig braun gebrannten Leipziger uns Bleichgesichter aufgesammelt haben, kommt schon der Bus nach Valparaiso – nur 15 Minuten später. In Valparaiso verkneifen wir uns das Warten auf Busse oder sowas. Wir laufen. Zum Warten kommen wir dann am Abend aber endlich. Für das Konzert zum örtlichen Rockfestival stellen wir uns am Ende der Schlange an, die um drei Häuserecken reicht. Nach etwas mehr als einer Stunde sind bis zur Personenkontrolle vorm städtischen Theater vorgerückt. Und wir kommen noch rein

Gut, meckern wir mal nicht zu viel. Sogar manche Busse sind pünktlich, wie der erste von Valparaiso nach Los Andes . Aber schon auf dem Busbahnhof dort stehen wir uns wieder die Beine in den Bauch, bis es nach zwei Stunden weitergeht. Das ist ja allen noch im grünen Bereich, hierzulande. Entsprechend unaufgeregt sind die Leute um uns rum. Aber die Steigerung der Warterei geht bereits auf den Steigungen hoch in die Anden los: Eine Stunde weit sind wir gefahren, da sind nur noch Bremslicher zu sehen. Es dauert eine Weile, bis wir rauskriegen, was los ist: Wegen Bauarbeiten irgendwo in den 21 Serpentinen wird die Piste gelich mal für zwei Stunden dicht gemacht.
Die Einheimischen tragen auch das mit stoischer Fassung, setzen sich neben die Autos auf die Straße – es herrscht eher Picknichstimmung als Frust. Das hätten sich Bauarbeiter bei uns mal erlauben sollen, ohne Umleitung. Kurz vorm Sonnenuntergang ruckt das Gefährt wieder an. Nach Curva 5 ist aber schon wieder Schluss: noch eine Stunde warten. Kurz vor 23 Uhr stehen wir dann endlich an der Grenze zu Argentinien, wo es erstaunlich fix geht. Aber da haben wir die Rechnung ohne das junge, nur mit Handys und iPods beschäftigte Pärchen gemacht. Die haben sich in ein Restaurant verdrückt und alle anderen 40 Insassen müssen eine halbe Stunde auf sie warten. Drei Minuten später stiegen wir im ersten Dorf nach der Grenze aus. Im Nieselregen stapfen wir mit Taschenlampen zum Hostal in Puerto del Inka.
Nach einem bergigen, sonnigen Wandertag rund um den Ort zu Füßen des Aconcagua, dem höchsten Berg außerhalb des Himalaya, kommt der Hammer. Eher zufällig erfahren wir von einem tschechischen Bergsteiger, dass wir hier festsitzen. Die einzige Straße, die nach Mendoza, ist nach Unwettern von satten 26 Erdrutschen blockiert. Also bleibt uns nichts übrig als zu Warten. Wenn alles gut geht, soll es in zwei bis fünf Tagen weitergehen. Selbst der Rückweg nach Chile ist uns verschlossen, weil ja keine Busse oder Autos in die Richtung fahren können.

Spannend wird es aber trotzdem: Das Militär soll Lebensmittel mit Hubschraubern einfliegen. Der einzige kleine Laden ist ratzeputz leer gekauft, und Nachschub kommt mit keinem Laster. Übrigens: Handys haben hier keinen Empfang, und Internet hat die eher sehr rustikale Bergsteiger-Herberge nicht zu bieten. Wie es mit dem noch viel verrückter als gedacht verlaufenden Abenteuer weitergeht, erfashrt ihr in den kommenden Tagen. Nur soviel: Die Straßen sind noch zu, aber wir sind in einer Odyssee dennoch bis Mendoza gekommen.