In der Atacama erleben wir auf unseren ersten gekauften Touren noch mehr beeindruckende Naturphänomene.
So gefroren haben wir auf der Reise noch nicht. Selbst im verschneiten Feuerland war es nicht so durchdringend kalt wie hier. Allerdings stehen wir auch im Dunkeln auf 4.300 Meter Höhe. So heiß es am Tag in der Atacama ist, so bitterkalt kann es nachts werden. Der leichte Wind lässt meine die Kamera haltenden Hände bei -2 Grad schnell so auskühlen, dass ich nicht mehr auslösen kann. Ich war nach den heißen Wüstentagen leider nicht klug genug, mir Handschuhe mitzunehmen. Der Minibusfahrer und Tourguide bereiteten ohne Mühe im Licht des einen funktionierenden Scheinwerfers das Frühstück. So kann ich mir am Becher mit heißem Tee die Finger wieder wärmen. Als es ganz langsam hell wird, hinter den Bergen ringsum werden in der Ferne Dampfsäulen sichtbar. Das müssen die berühmten Geysire El Tatio sein, die höchst gelegenen der Welt.
Als wir im Camper in San Pedro de Atacama angekommen sind, war schnell klar, dass eine Tour über steile Schotterpisten und 2.000 Meter höher zu den Geysiren mit dem Auto alles andere als Spaß machen würde. Also klappern wir die Agenturen ab und buchen bei Gloria, die im Preis ordentlich runtergeht. Die Fahrt hat trotzdem ihren Preis: Gefühlt mitten in der Nacht zerreißt das schrillende Handy alle Träume. Es ist um 4. Ab halb 5 stehen wir brav auf der Straße. Genau 5:12 hält dann endlich ein weißer Mercedes Sprinter in einer Staubfahne. Wir haben Glück und können im fast vollen Auto nebeneinander sitzen und dem Ziel entgegen dösen.
Als das Frühstück mit richtig leckeren Baguettes abgeräumt ist, wird es dämmrig genug, um all die anderen weißen Sprinter schon in der Ferne bei den Dutzenden weißen Dampfwolken zu sehen. Wir kommen endlich als vorletztes Auto am Geysirfeld an, es ist fast hell, aber die Sonne ist hinter den Bergen erst zu ahnen. Folgerichtig werden mir die Finger schnell wieder klamm, als wir zwischen den heißes Wasser, viel Dampf und manchmal Schlamm spuckenden Löchern oder kleinen Kratern herumwandern. Dann ziehen sich plötzlich mitten im Weg andere Mitreisende ihre dünnen Turnschuhe aus. Unser Guide kennt die Stellen, an denen das von einer Magmablase aufgeheizte Wasser so dicht unter der Erde ist, dass sie ganz warm ist. Ich kniee dankbar nieder und drücke die schon weiß gewordenen Finger auf den Boden. Ich hab es in dieser so andersartigen Gegend und beim Warten auf Geysirausbrüche nicht übers Herz gebracht, die Knipse umzuhängen und die Hände in der Hosentasche zu vergraben. Vor allem, als die Sonne es über den Horizont schafft und die ersten Touristenbusse wieder abfahren, wird es angenehm – und die Rauchfahnen im Gegenlicht noch spektakulärer.
Irgendwann müssen wir aber doch auf unseren Führer hören und zum Bus zurück. Die Wasserfontänen werden merklich kleiner und der Dampf löst sich in der zunehmenden Wärme schnell auf. Das Geysirfeld liegt jetzt wieder ganz einsam vor sich hinzischend in den Anden. Wir fahren langsam wieder zurück, machen aber noch einen Stopp an einer sehr alten, aus Lehm gebauten und mit Gras gedeckten Kirche. Dann geht es weiter bergab. Hinter einer Kurve leuchten plötzlich sattes Grün und glitzerndes Wasser. Passt das zur Wüste? Ja, sagt der Guide, denn hier oben, auf dem Altiplano genannten Gebiet über 4.000 Metern gibt es Quellen, die etliche kleine Seen speisen. In denen spiegeln sich die riesigen Vulkane ringsum. Im dichten Gras um einen See sehen wir eine große Herde der sonst in der Atacama weit verstreuten Vicuñas, in den Wasserlöchern dazwischen Enten. In einem anderen See mit im Wasser gelöstem Salz stehen Flamingos. Die Wüste hält wirklich eine Menge Überraschungen bereit.
Am nächsten Tag geht es so spannend und überraschend weiter. Mit einer anderen Tourgesellschaft lassen wir uns zu den Piedras Rojas fahren. Diesmal ging das Warten auf den (natürlich weißen Mercedes) Bus erst 6:30 los. Nach kurzer Fahrt und im Hellen gibt es erneut ein leckeres Frühstück, ohne kalte Finger. Wir stehen genau dort, wo der südliche Wendekreis verläuft. Diesmal haben wir mit Chino, einem schon etwas älteren Bolivianer, einen ganz speziellen Tourguide erwischt: Er lernt gerade Deutsch und erklärt alles neben Spanisch und Englisch auch in Deutsch und strahlt dabei. Jede Gelegenheit nutzt er, um uns nach Wörtern zu fragen und die Aussprache zu üben. Die restliche Gruppe nimmt das gelassen hin, die Brasilianer versuchen sogar nachzusprechen, was wir sagen. Jedenfalls hat Chino die Gabe, eine gute Stimmung in die Gruppe zu kriegen.
Während wir alle einem kurzen Wanderweg über eine Kuppe folgen, entspinnen sich auf einmal ganz viele Gespräche untereinander. Da fällt es fast schwer, noch Gedanken fürs Fotografieren der immer wieder beeindruckenden Landschaft zu haben. Auf der Kuppe öffnet sich der Blick auf zwei Bergseen, die tiefblau zwischen grauen Steinen und gelegentlichen Grasbüscheln leuchten, eingerahmt zwischen Gipfeln, deren Schneefelder grell in der Sonne strahlen. Wir sind wieder deutlich über 4.000 Meter hoch im nicht ganz so trockenen Altiplano.
Wasser spielt auch beim Highlight des Ausflugs eine Rolle: Die Piedras Rojas sind dunkelrote Steine, die an einem leuchtend weißen Salzsee enden. Dabei sind die Steine gar nicht rot, erklärt uns Chino. Es ist hellgraues Lavagestein mit einem so hohen Eisenanteil, das sie außen quasi rosten. Wie auch immer: Das Farbenspiel mit dem intensiven Rostrot, Salzweiß, Wasserblau, Grasbüschelgelb und Hügelgrau ist faszinierend. In der Lagune stehen zwar nur in der Ferne ein paar Flamigos, aber nach Vicuñas und Zorros unterwegs, kriegen wir noch seltenere Tiere zu Gesicht, die wie eine Mischung aus klein geratenen Hasen mit zu großem Kopf und überdimensionalen Mäusen aussehen: Viscachas. Die in Erdhöhlen lebenden Tiere aus der Familie der Chinchillas sind eigentlich nachtaktiv. Aber für ein paar Fotos posieren sie auch mal im grellen Sonnenlicht. Unser Guide Chino staunt über unser Glück, heute so viele Tiere zu sehen.
Beim letzten Stopp an ein paar Salzseen mitten in der Salar de Atacama, einer riesigen, salzverkrusteten Ebene, sehen wir sie dann doch noch aus der Nähe. Ein halbes Dutzend der insgesamt 30 Flamingos fischen gleich neben dem Weg nach den roten Garnelen, die ihnen ihre rosa Farbe geben. Damit geben wir uns zufrieden. Die Tour endet mit einem Mittagessen, das sich an unserem Tisch ewig hinzieht. Mit fünf Brasilianern aus Sao Paulo (der Mann und die Frauen sind begeisterte Biker) und einer Amerikanerin aus Seattle finden wir ein Thema nach dem anderen (in Englisch) und werden irgendwann vom Personal rausgebeten. Nach herzlichen Verabschiedungen eilen wir zum Zeltplatz, um das Auto zu holen. Wir müssen den Zeltplatz kurz vor 17 Uhr endlich räumen. Wieder zu zweit im Campervan stellen wir freudig fest, wie schön es war, mal wieder mit anderen Leuten unterwegs zu sein – und nicht selber alles planen und finden zu müssen. Jetzt müssen wir aber wieder einvernehmlich planen, ob wir dem Meer entgegen fahren oder lieber noch in den Bergen, in der Nähe auf einem freien Platz bleiben.
3 Kommentare
Ich hatte schon fast Angst, dass kein Bild von einem Viscacha dabei ist 🙂
Ich bin sehr neidisch wenn ich die Bilder so sehe, wirklich eine atemberaubende Landschaft 😮
Wenn ich nicht gewusst hätte, dass du sehnsüchtig auf das Viscacha-Bild wartest, lieber Alwin, hättest mir keine Mühe gegeben, unbedingt eins zu fotografieren. Danke dir 😀
Die Flamingos…😍