Nach einem kaum zu findenden, ziemlich schweißtreibenden Anstieg mit überraschendem Höhepunkt gibt es nicht etwa eine verdiente Abkühlung, sondern das Gegenteil.
Die Begeisterung für unseren ersten Araukarienwald haben wir kaum unter Kontrolle gebracht, da sind wir noch mehr perplex: Ganz plötzlich hören die riesigen, Schatten spendenden Bäume auf und wir stehen in der Sonne auf einem weiten Vulkanasche-Feld. Von dort geht der Blick frei auf mindestens drei Vulkane. Mitten in den Fokus drängt sich der ebenmäßige Kegel des Villarrica, schneebedeckt wie mit weißem Kragen und mit bläulichem Rauch, der aus dem Krater steigt (nachts haben wir ihn später glühen sehen). Wir sind so überrascht, weil wir den Weg gewandert sind, ohne sein Ziel zu kennen. Mit so einem Panorama haben wir jedenfalls nicht gerechnet. Aber der Reihe nach.
Der Weg ist als gestrichelte Linie in der Mapy-App eingezeichnet und startet gleich neben dem Eingang zu den „Termas Geométricas“. Die haben wir uns als heutiges Ziel auserkoren. Aber: Wie das bei Aktiv-Reisenden nun mal zu sein hat, müssen wir uns das wohlige Bad aber erst verdienen, idealerweise mit heftigen Bergauf- und Bergabwandern. Oft haben uns hier die App-Strichellinien schon reingelegt, weil es verbarrikadierte Zufahrten zu Grundstücken oder zu umzäunten Viehweiden statt wanderbare Wege sind. Diesmal ist der Strich, der allerdings verdächtig enge Höhenlinien kreuzt, wirklich ein Wanderweg. Zumindest ein ehemaliger. Vor dem Zugang über eine Brücke ist ein Brett genagelt. Auf die Frage an der Rezeption der Therme, was das bedeutet, kam natürlich die Antwort: Der Weg ist gesperrt, weil er schon länger nicht mehr in Ordnung gehalten wird. Als ob uns das stören würde. Also klettern wir einfach über das Brett und gucken selber nach. Erst sanft, dann immer steiler die engen Höhenlinien steigt der Pfad bergauf, ist aber zwischen Bambusgestrüpp und umgestürzten Südbuchen immer noch zu erkennen. Im gefühlten 45-Grad-Winkel klettern wir bei bestimmt 26 Grad schnaufend den dicht bewaldeten Hang hoch. Die gut 700 Höhenmeter, die die App prophezeit, kommen uns eher wie 1.700 vor.
Kurz vorm Aufgeben, auch weil wir noch immer nicht wissen, was der Endpunkt auf der App mitten im Grünen bedeutet, flacht der Trampelpfad endlich ab und wir stehen unter 30 Meter hohen Araukarien – ein überwältigender Anblick, wenn man die Bäume nur fünf Meter hoch aus deutschen Vorgärten kennt. Hier sehen sie zudem ganz anders aus: anderthalb oder zwei Meter dicke und kahle Stämme, an denen die Äste mit den wie Schuppentiere aussehenden … ja was eigentlich … Blättern vielleicht, erst in 20 Metern anfangen. Die Bäume, die zu den Koniferen zählen, können hier 50 Meter hoch, 2,5 Meter dick und bis zu 2.000 Jahre alt werden. Die unteren Äste verlieren sie erst im zarten Alter von 100 Jahren. So, das muss als Bildungsteil genügen.
Hinter dem Waldrand in der knallenden Sonne drängen wir uns unter eine frei stehende, offenbar noch junge Araukarie, deren Äste bis auf den Boden reichen und verdrücken vom Ausblick fasziniert unsere Mittagsbrötchen. Und wir sind uns schnell einig, dass sich der heftige Aufstieg gelohnt hat. Für den Rückweg steil und rutschig über trockene Blätter bergab suchen wir uns feste Bambsstecken und kommen heile wieder unten an. Da das Auto noch im Schatten steht, gibt es kühles Wasser vom vorigen Zeltplatz – eine Wohltat. Das war es dann aber auch mit der Abkühlung.
Wo es Vulkane gibt, sprudelt meist auch irgendwo heißes Wasser. Genau deswegen sind wir ja die 18 Kilometer Schüttel-Rüttel-Piste von Coñaripe hierher gefahren. Nun streben wir der Therme entgegen, genauer der „Termas Geométricas“, denn es gibt allein fünf ausgebaute Gebiete mit heißen Quellen in dem einen Tal. Das erste Becken, das wir über die leuchtend roten Stege erreichen, hat 38 Grad, Wir klettern tapfer rein, Jeanette viel schneller als ich und hocken uns zwischen lauter Chilenen. Kühler wird das Badevergnügen heute nicht. Das nächste Becken hat 40 Grad. Das ist für mich die maximale Grenze des Erträglichen. In die Pools mit 42 und 44 zu gehen, weigere ich mich. Also chillen wir bei 38 Grad, was sich für mich fast wie in der Unterwasser-Sauna anfühlt.
Immer mal wieder sucht einer der anderen Badegäste das Gespräch mit uns, wir wirken offenbar recht exotisch hier. Auf uns wirken die meisten der Leute hier auch etwas speziell. Man sieht, dass hier im Seengebiet zwischen Lago Ranco, Panguipulli und Villarrica, der sogenannten chilenischen Schweiz (Berge, Seen, hohe Preise ;-), die chilenische Mittelschicht Urlaub macht: Wer sich viel Zucker, viel Essen und vor allem viel Fleisch leisten kann, bekommt ordentlich was auf die Hüften. Schlanke Menschen sind hier kaum zu entdecken.
Aber warum haben wir uns gerade die, der vielen Thermen rausgesucht? Vor allem, weil uns Katrin Z. von der Geométrica vorgeschwärmt hat. Der ordentlichen Eintrittspreisen wegen hatten wir den Besuch dort schon verworfen, als wir dann doch plötzlich in dem Örtchen stehen, in dem die Schotterpiste abzweigt – wie es manchmal so geht mit Plan und Realität. Allerdings ist die „Geométricas“ was ganz Besonderes. Die Anlage in dem engen Canyon mit Wasserfall, kaltem Bach und rechts und links 45 Grad heißen Quellen im Felsen hat der chilenische Stararchitekt Germán del Sol geplant. Die 500 Meter langen roten Holzstege, die zwischen Felsen und üppigen Pflanzen verlaufen, verbinden 16 mit Naturstein eingefasste Becken verschiedener Größe und Temperatur. Die Anlage fügt sich fast harmonisch in die Landschaft ein. So haben die natürlich auch roten Umkleidehäuschen und selbst das Restaurant mit Gras bewachsene Dächer. Da ist für jeden was zum Genießen und Entspannen dabei, am Ende sogar für mich – der vom Rüttelfahren schmerzende Rücken kann mal entspannen und Jeanette liebt ja warmes Wasser sowieso.
Erst nach 20 Uhr verlassen wir die Anlage wieder. Da kein Zeltplatz in der Nähe ist und es bald zu dunkel zum Abendessen kochen wird, sind wir in dem extrem eingezäunten Land froh, im Wald neben der Piste ein etwas abseits an einem Bach gelegenes und fast ebenes Plätzchen für die Nacht zu finden. Nach Nudeln und buntem Salat lassen wir den schönen Tag nochmal Revue passieren und verkriechen uns, bereits im Finsteren, ins Auto. Der nächste Tag hält ganz sicher wieder viele Erlebnisse und Überraschungen bereit. Wir schlafen freudig gespannt und wohlig ermattet ein.
6 Kommentare
Sehr schön zu lesen 😃 Ich lag förmlich mit drin im Wasser der Therme. Euch noch super schöne Tage und Eindrücke . Bleibt gesund 😘wir verfolgen euch weiter !
Heike und Steffen
Oh wie wunderbar: Araukarien und Geometricas… Soooo schön! Danke fürs Erinnernlassen, ihr Lieben!
Was für herrliche Bilder und unbeschreiblich schöne Ecken es auf dieser Welt doch. Sooo schön dass ihr ins daran teilhaben lasst…und ja mit 38 Grad wäre ich aber auch sowas von bedient gewesen, darüber kannst du dir dann die Haut pellen 😂😂
Euch beiden noch wunderschöne Reisetage, bleibt gesund und kommt gut durch
LG Volker & Andrea
Ihr Lieben, was für wunderliche, fremde und herrliche Welten, an denen Ihr uns teilhaben lasst. Hier kommen gerade die Frühlingsblüher. Auch schön. Ich denke an euch, bleibt gesund und voller Freude, Neugier und Erlebnishunger. Dicke Umarmung, Katharina
Schön zu lesen, dass es euch gut geht….! Ich lese mit – zu selten – aber ich lese mit und freu mich für euch! 🙂
P.S.: Wir (die Verstrahlten…) vermissen euch! 😉
Liebe Grüße.
Ich lese euren Blog immer sonntags. Herrlich diesmal wieder, und toll geschrieben. Ansonsten schließe ich mich den Vorschreibenden an: ihr habt es offenbar sehr gut am anderen Ende der Welt…
Grüße, Enrico