Auf der bisherigen Reise haben wir schon viel erlebt. Aber im pittoresken Cartagena in Kolumbien stellen sich unsere Erwartungen so oft als falsch heraus, wie nirgends zuvor – vier Geschichten.
Vulkan ohne Höhe
Der Anblick macht uns zuerst fassungslos, dann müssen wir doch lachen. Es ist nicht die erste Tour zu einem Vulkan, die wir in den vergangenen fünf Monaten machen. Aber weder glühend heiße Lava noch ein vom hohen Kraterrand aus zu sehender See voll giftigen Wassers erwartet uns am De Lodo el Totumo, sondern ein mit Schlamm gefüllter Schlot – und in dem wird auch noch gebadet. Der Temperaturen in der Karibik wegen bleiben die Wanderschuhe im Schrank, festere Sandalen müssen für den Aufstieg zum Schlammkegel reichen. Beim Buchen der Tour geht es darum, wann der Bus uns wo abholt, was es zum Mittagessen gibt und was sonst noch auf dem Plan steht, wie der Besuch einer Salzgewinnungsanlage, dessen Wasser rot leuchtet. Wie meist bei organisierten Ausflügen lassen wir uns vom Rest überraschen. Hätten wir im Reiseführer nachgelesen, wären wir vielleicht gewarnt gewesen … oder auch nicht, weil wir wissen, wie Vulkane aussehen und dass der Aufstieg zu ihnen beschwerlich ist. Als der Bus nach gut eineinhalbstündiger Fahrt ohne jegliche Steigung am Ziel anhält, trauen wir unseren Augen nicht. Direkt vor uns ragt der gleichmäßige Kegel aus der flachen Landschaft. Ganze 20 Meter Aufstieg bis zur Spitze stehen uns bevor. So ein winziges Vulkänchen haben wir nun wirklich nicht erwartet. Der Anblick ist irgendwie putzig.
Dann stehen wir in Badesachen oben und das Lachen vergeht uns erst einmal. Zwar ist der Blick weit über eine Lagunen-Landschaft mit Inseln aus Mangroven sehr schön, der Vulkankegel ist es aber nicht: hellgrauer, zähflüssiger Schlamm. Die Leute, die darin stecken, sind von Kopf bis Fuß mit einer dicken Schicht davon bedeckt und vor allem die Information, dass der Vulkan 500 Meter tief mit diesem Schlamm gefüllt ist und dass es keinen festen Boden unter den Füßen gibt, kostet einige Überwindung, um dort rein zu steigen. Aber, was solls. Erst einmal richtig drin im Schlamm ist es dann überraschend angenehm. Der Schlamm ist warm und man geht nur bis zur Brust unter, auch mit Anstrengung geht’s nicht weiter. Im Liegen sinkt man erst gar nicht ein in die Masse. Das hat sicher physikalisch einleuchtende Gründe die mit der Dichte zu tun haben. Die Stimmung ist dort im von Holzplanken eingefassten Pool richtig locker – vielleicht finden auch die anderen Schlammbader das Lachen wieder, weil die Physik hält, was sie verspricht? Nach einer halben Stunde wird unsere kleine Gruppe wieder raus gescheucht. Wir klettern eine Treppe runter, laufen zur Süßwasserlagune und werden von Einheimischen mit Plastikschalen gründlich entschlammt. Ein wohliges, ermattetes Gefühl macht sich nach dem überraschenden Bad in uns breit. Zudem verspricht uns die Reiseleiterin, dass wir jetzt kein Rheuma und keine Hautkrankheiten kriegen. Was will man mehr von einem Mini-Vulkan erwarten?
Rum ohne Rezept
Was trinkt man im Norden Südamerikas zum Feierabend? Na, das gleiche wie in Mittelamerika: Cuba Libre. Den ganz einfache kolumbianische Rum für umgerechnet 6,50 Euro, mit dem wir die Cola dafür anreichern wollen, gibt es zwar im Supermarkt. Hier in Cartagena steht er allerdings nicht im Regal, sondern in einem abgeschlossenen Glasschrank hinter einem separaten Tresen. So was haben wir in noch keinem der vielen Supermärkte auf unserer Reise gesehen. Erst recht nicht, was dann kommt: Der Verkäufer hinterm Verkaufstisch schließt nicht etwa auf und gibt uns das Fläschchen. Nein, er zückt sein Funkgerät und zitiert einen anderen Verkäufer ran. Der kommt auch relativ schnell mit einem Schlüsselbund an.
Aber auch er gibt uns den Alkohol nicht, auch stellt er ihn nicht an eine der Kassen gleich hinter uns. Nein, er durchquert die Halle mit uns im Schlepptau und stellt die Flasche an einen wieder anderen Tresen. Wir fühlen uns ziemlich deplatziert da, denn dort holen die anderen Leute mit großen Rezepten Pillen und Säfte, um wieder gesund zu werden. Wir dürfen unseren schädlichen Alkohol in der Apotheke auch ohne Schriftstück bezahlen. Was damit bezweckt wird, bleibt uns schleierhaft. Falls es eine Abschreckung sein sollte, hat die versagt. Auch im nächsten Ort der Reise werden wir uns als Zutat für den Schlummertrunk ein Fläschchen Rum kaufen.
Tiere ohne Zoo
So richtig lauschig ist es nicht im Parque Centenario. In dem kleinen Stadtpark sitzen, laufen und inlinern massenhaft Leute. Dazwischen rufen Händler ihre Angebote aus oder machen mit scheppernden Glocken auf sich aufmerksam. Um den Platz mit Bäumen, Denkmal, Brunnen und breiten, gepflasterten Wegen herum tobt der Verkehr auf mehrspurigen Straßen. So ein richtiger Erholungseffekt will sich bei uns nicht einstellen. Aber es gibt schattige Plätze, um sich bei schwülen 33 Grad ein wenig von der Stadtdurchwanderung auszuruhen. Über uns in den Ästen hören wir Horden von kleinen grüne Papageien kreischen, die offenbar versuchen, den Krach ringsum noch zu übertönen. Das hier ist definitiv kein Paradies für Tiere.
Wir hocken so am Wegesrand und beobachten die Leute, da spricht uns ein Einheimischer an. Der kennt sich offenbar gut mit der Gattung Tourist aus und probiert es gar nicht erst auf Spanisch. In Englisch sagt er, dass er wisse, wo die Faultiere sind. Wie jetzt? Wir gucken ihn verdutzt an. Hier? Diese Tiere haben wir nur einmal auf einer speziellen Tour in Bocas del Toro in Panama gesehen. Er winkt uns, ihm zu folgen. Mit Blick nach oben kriecht er unter niedrigen Bäumen durch. Statt eines Dreizehenfaultiers gucken uns auf einmal zwei kleine Springaffen an (auch die Art haben wir bisher nur einmal kurz zu Gesicht gekriegt). Der Mann lockt sie mit einem Stück Banane auf seine Hand. Als die kleinen Affen mit dem langen Schwanz wieder weg sind, geht die Mission Faultier weiter (auf Englisch übrigens Sloth). Zuerst hoppeln Eichhörnchen durch die Bäume, dann entdecken wir einen grünen Iguana, einen großen Leguan. Dann trauen wir unseren Augen nicht, als der Mann in einen Ast am Rand des Parks zeigt. Gleich neben der Straße hangelt sich tatsächlich ein Faultier gemächlich am Stamm bis fast zu uns runter, ohne sich von Mensch oder Auto stören zu lassen. Unglaublich, dass hier solch ein Wildtier lebt. Angeblich soll hier eine Familie aus vier Tieren schon seit Jahren durch die Bäume ziehen. Das hätten wir an der Stelle nicht für möglich gehalten.
Altstadt ohne Ruhe
Es wird langsam dunkel in Cartagena. Die dicke, meterhohe Stadtmauer aus hellem Korallenstein ist schon angeleuchtet. Wir gehen durch eines der Tore in die Altstadt und erwarten zwischen den alten Häusern im spanischen Kolonialstil eine eher ruhige, vielleicht mittelalterlich anmutende Atmosphäre. Statt dessen brandet uns lautes Lachen entgegen. Auf einem Platz vor einer Kirche sitzen dicht gedrängt hunderte Menschen auf Plastikstühlen und blicken alle in eine Richtung. Dort steht eine riesige, aufblasbare mobile Leinwand. Auf der ist ein mexikanischer Trickfilm zu sehen, in dem es um Mariachis, Musik und sehr lebendige Skelette geht. Wir bleiben einfach stehen und sehen uns die zweite Hälfte des Streifens mit an.
Als der Applaus verebbt ist und sich die Massen zerstreuen, wandern wir durch die engen Gassen, in denen es aber alles andere als ruhig ist: Lokale lassen ihre Speisen lautstark anpreisen, Verkäufer von Hüten, Ketten, Gemälden, Brillen oder luftigen Kleidern stürmen auf jeden potenziellen Kunden zu, Taxis hupen zum Zeichen mehrfach, dass sie Fahrgäste brauchen und viele Menschen flanieren redend und lachend einfach kreuz und quer durch die Gegend und genießen wie wir das Flair inmitten der Kolonialbauten. Dann kommen wir zum anderen Ende der Altstadt, die offiziell El Centro genannt wird. Dort kann man auf die Mauer klettern, die afrikanische Sklaven 1586 gegen die stetigen Angriffe von Piraten zu bauen begonnen haben. Dort oben leuchten hinter verrosteten Kanonen in zwei Meter dicken Schießscharten dünn wirkende Wolkenkratzer. Alt und neu sind hier in Cartagena zwar getrennt, stehen aber sehr dicht beieinander. Sicherlich sind es auch solche Gegensätze, die unsere Erwartungen in der Stadt am Karibischen Meer immer wieder über den Haufen werfen.
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Ein Kommentar
…witzig, Heilige mit Gebläse. Aber ist der eine protestantisch, daß er keinen Ventilator abbekommen hat?
Hübsch seid Ihr mit den grauen Anzügen.
LG C+S