Im geschichtsträchtigen Cajamarca in Nordperus Bergen fühlen wir uns sehr wohl, erleben und sehen viele Highlights sowie überraschend wanderbare Wege.
Die Luft bleibt weg, uns beiden. Schon wieder, aber diesmal nicht schmerzvoll. Das hat verschiedene Gründe. Der naheliegende heißt 2.800 Meter. Von nahezu Meereshöhe haben wir uns noch mal stundenlang von einem Bus bergauf fahren lassen, in die so weit oben liegende Stadt Cajamarca. Wir brauchen wieder zwei Tage, um die Kurzatmigkeit zu überwinden. Diesmal nötigt uns aber keine Höhenkrankheit eine Pause ab. Wir gehen einfach erst mal etwas langsamer. Ein anderer Grund müsste passender heißen: uns stockt der Atem. Weil: Wir sind begeistert, was es in der Stadt alles zu sehen gibt, vor allem das, was mit ihrer Geschichte zu tun hat.
Da ist ein Ort in einem Hinterhof, den man schnell übersehen könnte, der aber die Geschichte Südamerikas sehr direkt geändert hat. Es ist ein großes, rechteckiges Zimmer, gebaut aus perfekt aufeinander passenden Steinquadern. Auf dem Schild über der großen Holztür, die zu dem Gebäuderest führt, steht „Cuarto del Rescate“. Übersetzt heißt das soviel wie Raum der Rettung, besser bekannt als Lösegeldraum. In dem Raum, dessen Wände wir fast berühren können, war „ganz sicher“ der Inka-König Atahualpa 1533 von den Spaniern gefangen gehalten worden. Für seine Freilassung füllten die Inka den (oder einen ganz ähnlichen) Raum mit Gold. Atahualpa ahnte aber, dass seine Feinde ihn nie laufen lassen würden und plante seine Befreiung. Das bekamen die Spanier mit und verurteilten ihn trotzdem zum Tode. Damit begann die einzige Macht in sich zusammenzubrechen, die den Spaniern Paroli bieten konnte. Südamerika wurde bis auf Brasilien und Belize Spanisch. Wenn man schicksalhafte Geschichte so nah erlebt, kann einem das schon den Atem verschlagen, oder? Und wie zum Hohn steht genau gegenüber diesem einzigen erhaltenen Relikt aus der Inkazeit eine riesige Kirche, die ursprünglich aus Steinen der Bauten der Inka errichtet wurde.
So was wie mit der Kirche haben wir schon in Cusco gesehen, der einstigen Inka-Hauptstadt. Hier in Cajamarca, eine damals bedeutende Handelsstadt zwischen Quito und Lima, ist es aber ganz anders: Während die Unmassen an Touristen in Cusco für jede der aus Inka-Steinen gebauten katholischen Kirchen teils horrenden Eintritt zahlen mussten, gehen wir in Cajamarca einfach überall hinein. Und andere ausländische Touristen begegnen uns so gut wie nie. In der 200.000-Einwohner-Stadt abseits der großen Besucherströme fühlen wir uns sicher. Zudem ist es ein schönes Gefühl, sich unter überwiegend sehr freundlichen und offenen Peruanern zu bewegen. Wir lassen uns einen ganzen Tag lang durch Straßen und über die Plätze, durch Museen und Parks, über Aussichtspunkte und durch Märkte und herrliche Cafés mit leckeren Torten treiben.
Wir haben für den nächsten Tag große, bzw. weite Pläne. Statt uns von einem Tourguide den Weg weisen zu lassen oder hinter ihm herzulaufen, planen wir mal einen eigenen Wandertag, nach unserem Tempo und unserer Lust. Zwei Ziele haben wir ausgesucht, die einen Rundweg ergeben sollten. Allerdings wissen wir nicht, wie dicht der Verkehr ist. Da es hier keinen einzigen Wanderweg gibt, müssen wir wohl oder übel Straßen nutzen. Wir sind jedenfalls mal wieder begeistert, wie sehr Handy und Navigations-Apps beim heutigen Reisen helfen.
Nach dem Frühstück im Hostel ziehen wir gegen 9 los und finden gleich einen für Autos gesperrten Weg an einem Flüsschen entlang. Das fängt gut an. Und so ähnlich bleibt es auch, mit wenigen Wagen auf einem staubigen Sandweg an einzelnen Häusern entlang und durch erstaunlich üppige Wiesen. Hier grüßt man sich noch und viele der Leute hier winken uns zum Buen Dias auch noch zu. Das Stück Hauptstraße, das wir nicht vermeiden können, hat stellenweise sogar Fußweg. Von dort ist es nur noch ein kleines Stück bergan bis zu den Ventanillas de Otuzco. Übersetzt bedeutet das Fenster von Otuzco und die mehr als 300 quadratischen Nischen in der Felswand über dem Dorf Otuzco sind Begräbnisstätten einer Vor-Inka-Kultur, die zwischen 400 und 900 nach Christus, die Knochen ihrer wichtigsten Vorfahren darin aufbewahrte.
Von dem Gräberfeld schickt uns die App ausschließlich über ganz kleine Sträßchen, oft an Feldern und Ställen vorbei auf den Weg zum warmen Wasser, das mit unserem zweiten Wanderziel zu tun hat, die Baños del Inca. Diese Bäder der Inka sind heiße Thermalquellen, die ihre Oberschicht gern genutzt hat. Wegen dieser Quellen war auch der letzte Inka-Häuptling Atahualpa gern in dieser Gegend und erholte sich beim Baden von den stressigen Regierungsgeschäften.
Jedenfalls sind wir beide ganz begeistert, vom gefühlt fast wie Wanderwege-Tag. Dank des Navis im Handy finden wir alle der vielen Abzweige und erreichen am frühen Nachmittag die Baños. An der Kasse müssen wir uns für eins der vielen Bade-Angebote entscheiden: Wir nehmen ein privates Badebecken. Das entpuppt dich als eine Art Badezimmer mit Riesenwanne, die wir mit großen Hebeln für heißes und kaltes Wasser selbst befüllen können. Wie in Thermalbädern üblich, dürfen wir aber nur 25 Minuten in dem heißen Vergnügen bleiben. Nicht nur unseren schon spürbaren Oberschenkelmuskeln tut das Bad richtig gut. Danach sehen wir uns im beginnenden Nieselregen die Anlage – beim stärkeren Regen ein Café – in Ruhe an. Die zehn mehr oder weniger quadratischen Becken, die im kühlenden Regen vor sich hin dampfen und die von den heißen Quellen gespeist werden, dürfen wir uns aber nur von einem Zaun aus ansehen. Hier genossen also vor fast 500 Jahren die Inka das heiße Wasser. Heutzutage gibt es ein angewärmtes Schwimmbecken und die verschieden großen separaten Badezimmer. Auch wenn wir bedauern, nicht in die offenen Inka-Becken zu dürfen, genießen wir die Anlage.
So gestärkt und unter einem aufklarenden Himmel entscheiden wir uns für den Rückweg gegen eines der Collectivos oder Mototaxis (dreirädrige Mopeds mit Kabine für zwei Passagiere, eine Art Tuk-Tuk) und sogar gegen den direkten Weg, weil der entlang einer sehr befahrenen Straße führt. Mit dem freiwilligen Umweg kommen wir nach insgesamt 22,5 Kilometern in den Beinen und reichlich müde wieder im Hotel an, aber glücklich über den schönen Wandertag. In einer Tacobar – weil die nicht weit vom Hostal ist – beschließen wie mit mexikanischen Köstlichkeiten den peruanischen Wandertag. Zu unserer freudigen Überraschung hatten wir, offenbar wieder höhentauglich, keine Probleme mit Kurzatmigkeit. So ist der Aufstieg zum „Inkathron“ auf einem schönen Aussichtspunkt am nächsten Morgen kein Problem. Auf dem Thron, einem flachen Felsen, sitzend, fühlt sich der Blick wie durch die Augen von Atahualpa über die im Talkessel gelegene Stadt Cajamarca atemberaubend an (zu sehen auf dem Beitragsbild ganz oben).
Ein Kommentar
Ach ja, so ein schönes Thermalbad, das wäre bei dem Sauwetter das richtige.