Bevor wir nach einigen Tagen an der Küste wieder zu den Bergen abbiegen, erleben wir eine sandige Überraschung.
Ich hab den richtigen Riecher – zumindest heute und beim Abbiegen Das gibt sogar unsere Supernavigöse Jeanette zu. Aufs Geratewohl steuere ich den kleinen Campervan von der asphaltierten Küstenstraße kurz hinter Putú in einen aus runden Kieselsteinen bestehenden Felsweg. Einen Hinweis, wohin er führt, gibt es nirgends. Als die Fahrt nach 300 Metern vor einem verriegelten Gittertor endet, das mit Unmengen von Autokennzeichen verziert ist, zweifeln wir beide doch kurz, ob wir richtig sind. Jeanette will mich zurück zur Straße lotsen und erst später abbiegen lassen. Wir wissen beide nicht genau, wo die Sanddünen sind und wo man hinkommt. Aber da öffnet sich neben dem Tor eine Tür.
Auch der Reiseführer hat recht: Dieses Dünengebiet gehört zu den kaum bekannten Highlights entlang der Pazifikküste um die Stadt Constitución. Und genau deshalb wollen wir sie sehen, die Dünen. Im Buch steht was von 20 Kilometer Länge und 3 Kilometer Breite. Das müsste doch zu finden sein – auch wenn wir nirgends ein Hinweisschild zu Gesicht kriegen. Die Sandberge von der Straße aus zu entdecken ist allerdings schwer: Erst versperren Kiefernplantagen den Blick auf die Küste und dann ein riesiges Moorgebiet, um das die Straße einen großen Bogen macht. In Chile finden wir immer mal wieder beeindruckende Landschaften, die kaum mal wer aus ihrem Dornröschenschlaf weckt. Schön für uns, die nicht gerade die Menschenmassen lieben – und doch schade um die tollen Gegenden.
In der Ferne hören wir zwar das Meer rauschen, aber den Augen nach hat es uns in die Sahara verschlagen: Hügel und Berge aus dem feinen graubraunen Sand türmen sich auf. Der Wind hat feine Wellenmuster auf die Oberfläche gezaubert und einige wandernde Dünen haben schon Teile von dürren Wiesen verschluckt. Das ist für uns ein wirklich skurriles Erlebnis. Bis zur Küste, wo dem Geräusch nach mächtige Brecher auf den Strand schlagen, ist es weiter als es sich anhört. Wir müssen lange über etliche Sandberge kraxeln, ganz schön schweißtreibend im lockeren Untergrund. Unter der immer mehr einheizenden Sonne stapfen wir den Wellen entgegen. Als wir die endlich erreichen, bleiben wir gar nicht lange – im immer heißer werdenden Sand können wir kaum still stehen. Wir treten freiwillig den Rückweg an.
Zum Glück ist hier doch nicht die Sahara und schon nach einer knappen Stunde, während der wir immer schneller werden, um die heißen Fußsohlen schnell vom Sand zu kriegen, sind wir wieder aus den Dünen raus – und nur ein paar hundert Meter zu weit rechts. Im Meer der Sanddünen kann man doch schnell die Orientierung einbüßen. Aber wir überleben den sandigen Ausflug zum wässrigen Meer. Es ist gut, dass wir uns selbst zurück finden, denn bis zum Schluss sind wir allein auf weiter Flur. Nur ein alter Mann treibt in der Ferne eine Herde Ziegen vor sich her. In die Dünen verirren sich wirklich kaum mal Touristen. Gut so. Mit grau gefärbten und heftig kribbelnden Füßen klettern wir ins aufgeheizte Auto. Die gleiche Frau entriegelt das eiserne Tor wieder und lässt uns raus, zurück auf die Straße. Am Abend, am neuen Standplatz direkt am Meer, rieselt immer noch feiner Sand aus den Schuhen. Das war wirklich ein schönes Highlight heute. Nach dem so doch unerwarteten und beeindruckenden Sandmeer, genießen wir jetzt das Rauschen des richtigen Meeres. Hier kribbeln die Füße auch, aber weil das Wasser des Pazifiks so kalt ist.
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