Die mühsam gefundene durchgehende Busverbindung wird zu einer überraschend ungewissen Fahrt ins Dunkle und kostet uns wenig Geld, aber einige Nerven.
Wir wollen doch nur von Palenque nach Xpujil fahren. Der Weg von der einen Stadt neben Maya-Ruinen zu der anderen nahe einer Ruinenstadt gestaltet sich aber schwieriger als erwartet. Weder ADO noch OCC noch Sur, die großen Busunternehmen, haben eine direkte Verbindung im Programm. Xpujil liegt leider nicht auf der Hauptroute, die von Palenque nordwärts zu den Touristenorten auf Yukatan führt. Wir bevorzugen mal wieder Richtung Osten.
Könnte ein Colectivo die Alternative sein, vielleicht mit schnellem Umsteigen auf halber Strecke? Unsere Fragen bei Fahrern von anderen Colectivos in Palenque werden mit Schulterzucken oder Kopfgeschütteln beantwortet. Erst ein dicker älterer Mann an einer Colectivo-Station fasst sich ein Herz, wuchtet sich aus seinem Stuhl und bringt uns ein paar Hauseingänge weiter. Da verbergen sich hinter hölzernen Wartebänken zwei Schalter und an einem steht wirklich Xpujil dran. Das klingt hoffnungsvoll. Die Frau hinter der Scheibe erklärt uns, dass 16.30 Uhr jeden Tag ein Bus losfährt und 21.30 Uhr in Xpujil ankommen soll. Aber bevor wir ein Ticket kaufen können, steht die Frau auf, schließt ab und geht. Wir sind baff … und gehen uns erst mal ein Abendessen suchen. Vielleicht ist ja später wieder auf (Öffnungszeiten sind natürlich nirgends zu finden). Wir müssen die später als vermutete Ankunftszeit auch erst mit der Autovermietung und dem Chef der Cabaña absprechen, bei denen wir reserviert haben. „Kein Problem! Ich warte auf euch! Gute Fahrt!“, schreibt Omar vom Autoverleih. Oskar von der Unterkunft würde uns auch abholen. So einfach ist das?
Tatsächlich ist die Frau zwei Stunden später wieder da, zwar nicht hinterm Schalter, aber im Gang daneben isst sie mit einer anderen ihr Abendessen. Wir fragen sie trotzdem und auf einmal nickt die andere Frau und zückt einen Block, füllt was aus und reißt uns zwei Tickets für den nächsten Tag ab, während sie es schafft, nebenbei weiter zu essen. Aber wir haben unsere Fahrscheine für überraschend wenig Geld, unsere Namen sind vermerkt und wir werden instruiert, um Punkt 4 da zu sein.
Am nächsten Tag sind wir überpünktlich da, werden ein Stück um die Ecke geschickt, zu einem anderen, noch kleineren Warteraum. Eine kleine rundliche Frau hinter dem Tresen nuschelt auf unsere Frage rasend schnell auf Spanisch los, zeigt uns aber zumindest das eng an die Brust gedrückte Heft, wo die Namen aller Reisenden vermerkt sind. Unsere sind dabei. Da sitzen wir nun, erleichtert. Und tatsächlich klappert um vier ein Bus heran, der mit einem groben Stein gegen das Zurückrollen auf der abschüssigen Straße gesichert wird. Au backe. Dürfen wir mit dem betagten Teil wirklich mitfahren?
Wir dürfen. Aber nicht einfach so. Alle Mitfahrkandidaten müssen sich in einer Reihe vor dem Bus aufstellen, an dem natürlich kein Fahrtziel dran steht. Reservierte Plätze wie bei den großen Gesellschaften gibt’s hier natürlich auch nicht. Eine Frau darf nach fünf Minuten Warten einsteigen. Ein paar Minuten später wollen ein paar junge Männer rein, werden aber barsch zurückgeschickt … erst sind die „Turistas“ dran, also wir. Wir wuchten die dicken Rucksäcke in eines der staubigen unteren Gepäckfächer und finden fast ganz hinten in dem schon ziemlich vollen Bus zwei Plätze nebeneinander. Die Sitze sind arg durchgesessen und sogar noch enger als in „normalen“ Bussen, die für uns schon wahrlich beklemmend sind, Die Fenster sind mit buckliger Sonnenschutzfolie verklebt. Es ist definitiv kein Touristenbus, wir sind auch die einzigen Nicht-Mexikaner. Das Teil ist eher ein Pendlerbus, in dem vor allem junge Leute in die Touristenzentren der Halbinsel Yukatan fahren, Arbeit suchen.
Als endlich alle Sitze besetzt sind, geht es aber noch lange nicht los. Eine Art Beifahrer-Mädchen-für-alles versucht herauszufinden, wer ohne Ticket mit will. Ein Mann steht noch draußen. Alle, die in Palenque eingestiegen sind, müssen ihre Hände heben und werden mehrmals von vorn und von hinten durchgezählt. Ob das Verfahren was bringt, kriegen wir nicht raus. Keiner steigt aus, keiner ein. Irgendwann schließt sich dann doch die Tür und das betagte Gefährt setzt sich schaukelnd in Gang. Ein Mann vor uns versucht ein Gespräch in holprigem Englisch, mit Frau und Kind will er mit dieser Schüssel die Nacht über bis ins fast 900 Kilometer entfernte Cancun in Nord-Yukatan fahren.
Und dann macht er unsere Vorstellung kaputt, dass wir nach den angekündigten fünf Stunden, also 21.30 Uhr, ankommen, wo uns Omar mit dem Auto abholen will (zu den Ruinen Calakmul 60 km tief im Dschungel kommt man nur mit einem Auto). Der Mann schüttelt den Kopf: keine fünf Stunden, bis Xpujil brauchen wir sieben! Oh je, wie geben wir Omar jetzt Bescheid? Das Auto kriegen wir nur direkt von ihm, weil das Büro der Vermietung gerade umzieht. Und Oskar wird auch vergeblich auf uns warten! Mein Handy für eine Whatsapp-Nachricht kann ich nur mit WIFI nutzen, im stockdunklen Klapperbus bin ich sozusagen sprachlos.
Kurz vor 20 Uhr rüttelt sich der Bus im Finsteren vor einem Straßenrestaurant zu einem Halt. So genau wissen wir nicht, wo wir sind und wie lange wir noch bis zu unserem Ziel brauchen – ein nicht gerade beruhigendes Gefühl für gute Organisation gewohnte und mit der Omar-Verabredung im Hintergrund. Wir fragen in dem kleinen Laden mit Essensständen nach WIFI, die Kassiererin zeigt auf einen kräftigen jungen Mann, der Tacos mit Fleisch füllt. Vermutlich sieht er uns die leichte Panik an, jedenfalls zückt er gleich sein Handy und zeigt ein Foto mit dem Passwort. Ich bin online und tippe eilig eine Nachricht an Omar und eine an Oskar. Die drei gehobenen Finger des Busfahrers deuten wir so, dass wir noch drei Stunden bis Xpujil brauchen. Und Omar antwortet auch gleich: alles gut, er kommt uns halb zwölf abholen. Uff, da fallen uns Steine vom Herzen. Wir klemmen uns wieder in die ollen Sitze und überlassen uns dem Busfahrer, der auf einem Gestell hockt, das mit Plasteschnüren zu einem Sitz umgeflochten ist.
Der Fahrer liegt mit seinen Fingern richtig: Gut drei Stunden nach der Pause röhrt die Motorbremse und die Kiste bremst mit vibrierenden Scheiben abrupt ab. Das grelle Licht geht an und der Beifahrer winkt uns raus. Das ist jetzt offenbar Xpujil. Gegenüber des offiziellen Busbahnhofs stehen wir mit unserem Gepäck an der Straße, als der Bus mit ordentlicher Rußwolke wieder losröhrt. Und tatsächlich hält zehn Minuten später neben uns ein weißer Kleinwagen. Omar steigt aus, begrüßt uns und verpackt die Rucksäcke im Kofferraum. Der gute Mann fährt uns sogar noch zur Unterkunft, dessen Betreiber Oskar er natürlich kennt. Xpujil ist ein überschaubarer Straßenort. So fügt sich dank netter und hilfsbereiter Mexikaner doch noch alles ineinander. Omar erklärt mir kurz das Auto und geht mit einem ordentlichen Trinkgeld davon. Wir fallen total geschafft in die Betten, in der einfachen Cabaña. Und es fühlt sich gut an.
Diese Busfahrt war schon ein Abenteuer, weil überhaupt nicht so durchschaubar wie die üblichen Bustouren. Man muss sich erst mal an das Gefühl gewöhnen, das schon alles klappen wird. Vielleicht klappt hier auch alles so gut, weil alle Improvisieren gewohnt sind und sich drauf einlassen, statt sich am vorher Durchorganisierten festzuhalten? Am Ende ist es eine richtig gute Erfahrung, dass es auch so geht. Am nächsten Morgen erkunden wir in eigener Regie und Mobilität ein spannendes Stück Mayageschichte.
6 Kommentare
Auch wir, Ulli und Steffi, lesen eure Berichte. Bei der Busfahrt war ich so dabei, dass ich fast vergessen habe, dass ich nebenbei koche.
Weiterhin GLÜCK und GESUNDHEIT, wo immer ihr seid!
Ahoi ihr Lieben,
wer so konsequent an der „Ruhig-Blut- Gemütslage“ arbeitet, der wird beim Spieleabend souverän den Sieg einholen. 🙂
Weiterhin so viel Glück in allen Lebenslagen, auch wenn diese Beinfreiheit auslässt.
Das Startbild und das vom 19. Jan. finde ich total gut. Autentisch
Hallo Ihr Lieben,
alles Durchorganisieren liegt mir ja auch im Blut, lieber Jens, ich konnte gut die unvorhersehbare Busfahrt mir vorstellen, das Adrinalin steigt, steigt, steigt…
Viele Grüße und noch eine wundervolle Zeit miteinander von Ellen
Lieber Jens, ich konnte deine Aufregung richtig mitfühlen😎… Liebe Grüße!
Hey Ihr Zwei,
eine Torte mit den grellsten Farben dieser Welt für Janette, dafür seid Ihr auch im richtigen Land. Ich hatte vorher noch nie solche Meterhohen gesehen, gratuliere ganz Kerstinsch 1 Monat später. Also ein dreifaches Salutknallen, zuckersüße Tortenstücke für noch mehr Energie, den Mayazaubertrunk für Kraft, Ausdauer, Mut, Gesundheit, Lebensfreue, nie ungeladene Akkus, spektakuläre Aufnahmen in Kopf und Knipse, Eiswürfel auf der Stirn und den Genuß des Lebens in der Freiheit!
Bleibt gesund und munter, voller Spannungen und Entspannungen, Eure Kerstin
Wir kommen am 24.06.19 zurück aus Tibet.