Wandern in besonders schönen Gegenden ist besonders beliebt. Das ist nachvollziehbar. Wenn man sich an die vollen Wege zur Laguna Torre erst gewöhnt hat, wird das eine besonders schöne Tour.

Die Tres Torres rechts hinten und vorn kaum Wanderer.

Ich freue mich. Die Stelle mit der kleinen Quelle im Wald erkenne ich wieder. Als wir den Weg Anfang 2013 gegangen sind, haben wir hier – wie diesmal – unsere Trinkflaschen aufgefüllt. Einige andere Stellen kommen Jeanette bekannt vor, andere Abschnitte des Weges mir. Ein bisschen fühlt sich die Tour von El Chalten zur Laguna Torre wie vertraut, wie eine alte Bekannte an. Sieben Stunden werden wir für die insgesamt 20 Kilometer brauchen. Nicht nur das Hoch und Runter frisst Zeit, diesmal auch etwas, das wir vor elf Jahren so nicht erlebt haben: sehr, sehr viele Wanderer, in beide Richtungen (Bilder davon hab ich auf der Kamera, komme aber ohne Laptop nicht dran und Jeanette wollte mit dem Handy die Massen nicht knipsen). Immer wieder bleiben wir an engen Stellen stehen, um Powerwanderer oder Gegenverkehr durchzulassen. Fast immer sagen sie „Gracias“ und wir „De nada“, Danke und keine Ursache.

Unterwegs auf sehr ausgetretenen Wegen.

Am Berg, an dem die Wanderung am Ortsrand startet, führen tiefe Furchen bergan, ausgetreten von bestimmt Millionen Füßen. Damals waren es nur flache Pfade. Aber damals ist lange vorbei. Wir reihen uns einfach in die Schlange der Aufsteigenden ein. Es dauert eine Weile, vor allem bei mir, das Gefühl der Enge hier in der weiten Landschaft zu akzeptieren. Dann läuft es sich aber ganz entspannt. Die vielen „Gracias“ und „De nada“ kommen bald automatisch aus unseren Mündern. Anhand der Aussprache versuchen wir die Nationalität der Wanderer zu erraten – es sind Dutzende.

Endlich angekommen an der Laguna Torre.

Das Laufen fühlt sich irgendwann fast familiär an: Man trifft immer wieder die Leute, die mal vor und mal hinter uns laufen und man winkt sich schon zu. Sogar ein in Ushuaia kennengelernt deutsches Paar treffen wir hier wieder. Sie überholen uns und sind zwischen den Köpfen verschwunden. Wir sehen sie noch einmal am Ufer der Lagune, am Ziel der Wanderung. Als wir nach einem letzten Aufstieg über eine Geröllhalde den See erblicken, raubt es uns mal wieder den Atem. Da ist das milchiggrüne Wasser, in dem kleine, hellblaue Eisberge treiben, beides rührt vom Gletscher am gegenüberliegenden Ufer her. Und zugleich rast uns auch hier ein so heftiger Wind entgegen, dass die Luft wegbleibt. Auf dem Wanderweg war davon nichts zu merken. Am Seeufer lässt es sich hinter einem von irgendwem vor uns gebauten Windschutz aus Treibholzstämmen in der Sonne eine Weile aushalten. Der Rückweg steckt wieder voller „Gracias“ und „De nada“, aber auch voller neuer Mitwanderer kurz vor und nach uns. Nach fast genau sieben Stunden steigen wir voller Endrücke und an der Quelle gefüllten Flaschen wieder nach El Chalten ab.

El Chalten unterm Fitz Roy im ersten Morgenlicht.

Das erst 1985 zur Festigung argentinischer Gebietsanspüche bei Grenzstreitigkeiten mit Chile gegründete Städtchen liegt am Fuße des Bergmassivs um den 3.405 Meter hohen Fitz Roy. Das hat schnell die ersten Bergsteiger angelockt. Inzwischen bezeichnet sich das vor Touristen wimmelnde Nest als Trekkinghauptstadt Argentiniens. Hier gibt es sehr viele und sehr schöne Routen für Wanderer, Bergsteiger und Wildwasserfans. Das sich das kaum ein Besucher Patagoniens entgehen lässt, ist so problemlos verständlich, dass die Massen auf den Wegen nur logisch sind. Mit der wohltuenden Einsamkeit der Landschaft lässt sich das für uns aber trotzdem schwer in Einklang bringen.

Über Hangebrücken zu einsamen Wegen etwas abseits der Stadt.

Unsere Konsequenz: am nächsten Tag etwas mehr Einsamkeit erkaufen. Der Camper bringt uns über eine holprigen Schotterpiste ein paar Kilometer nördlich des Ortes in einen privaten Naturpark. Dort müssen wir zwar einen Eintritt zahlen, werden dafür aber persönlich auf Englisch eingewiesen und erleben nahezu leere und sehr gut gewartete Wege und Hängebrücken. Durch Wälder, die bis auf Vogelgezwitscher und die pfeifenden Windböen still sind, drehen wir eine Runde zur unfassbar blauen „Laguna Azul“ und zurück an der grünen „Laguna Verde“ entlang. Dort waren wir zum einen noch nie und können zum anderen mal wieder ein Stück der Einsamkeit frönen. Zurück im Rangerhaus melden wir uns zurück, sehr dankbar für den Tag mit einem „Muchas gracias“. Die Rangerin antwortet erfreut mit „De nada“.

Gedränge nicht nur auf Wanderwegen, sondern auch in der Küche des Zeltplatzes.

Ein Gletscher füllt die Laguna Torre.

Neuer Morgen am Fitz Roy und neuer, diesmal einsamer Wandertag für uns.

Dann nehmen wir Abschied vom Fitz Roy und ziehen weiter gen Norden, zu neuen Abenteuern.

4 Kommentare

  1. Hallo ihr 2,
    schön, dass wir auf Eurer Reise dabei sein können! Das sind mal wieder beeindruckende Bilder der Natur! Die Hängebrücken würden mir etwas Sorgen bereiten….aber Ihr vermittelt mir, dass man da heil rüber kommt 🙂
    LG Beate & Stefan

  2. Hallo ihr Zwei,
    wir freuen uns sehr über euren Bericht und ich möchte nicht wissen, wieviel Arbeit mit dem Mobiltelefon dahintersteckt.

    Traumhafte Bilder die Lust auf Meer machen. Danke das ihr uns die Chance gebt euch auf diesem Weg zu begleiten.

    LG
    Andrea & Volket

  3. Servus Janette und Jens, wir verfolgen eure Reise und freuen uns über Eure Berichte und Bilder. Bleibt schön gesund und neugierig
    Lieben Gruß aus Rosenheim

  4. Mannnannmann, sieht das alles toll aus. Besonders die drei Zinnen 😁
    Checkt vor Ecuador dann bitte die aktuelle Lage. Ich hatte neulich Kontakt mit einem Bekannten, der da regelmäßig ist. Scheint grad zu eskalieren … Liebe Grüße und schöne Weiterreise und mehr mehr mehr Fotos & Geschichten 🙏
    Oliver

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