Eingeklemmt zwischen zwei Höhenzügen der Anden erwartet uns in einem überwiegend grünen Tal mit großem Fluss eine überraschend bizarre und trockene Gegend.
Die Fahrt dauert gerade mal eine Stunde. Die Landschaft ist trotzdem nicht mehr wiederzuerkennen. Im Nieselregen unter einem dichten, an einen Tunnel erinnernden Blätterdach, lassen wir mit dem Pickup die Stadt Neiva hinter uns. Eine halbe Stunde später, im Ort Villavieja am sehr mächtigen Fluss Magdalena, lässt der Regen nach. Wir steigen in ein Tuktuk um, dass uns zu unserem Hostel in der Tatacoa tuckert. Es wird auf der Fahrt immer heißer und Kakteen lösen die Straßenbäume ab. Aus den grünen Weiden werden rote oder graue Flächen, auf denen kaum etwas wächst. In die Gegend hat die Erosion (ab und an gibt’s schon Regen und natürlich viel Wind) tiefe Canyons gefressen und darin bizarre, schwer zu beschreibende Landschaften geformt. Wir sind in der Wüste angekommen. Zwar ist uns vor der Fahrt schon klar, dass die Desierto de la Tatacoa eine besonders karge Gegend sein muss, aber dass wir in so kurzer Zeit mitten drin sind, verblüfft uns doch.
Da die Hitze am Vormittag noch erträglich ist – Mittags kann es gerne mal 45 Grad werden – halten wir uns im Hostel nicht lange auf, sondern wandern los. Einfach rein ins wüste Gelände können wir aber nicht: Zu beiden Seiten der festen Schotterpiste, die weiter in die Wüste rein führt, sind Zäune aus Stacheldraht gespannt. Wozu die gut sind, ist uns schleierhaft. Erst als auf einer Seite der Zaun plötzlich endet, klettern wir in einen kleinen Canyon runter, durch den sich ein ab-und-an-Flüsschen jetzt als Sandband zieht. Dem folgend mäandern wir durch die Landschaft, bestaunen die Kakteen, entweder lange dünne die an Kerzenständer erinnern, oder kleine runde, deren Blüten nach Parfüm duften. Bis auf unsere knirschenden Schritte im Sand und ab und an ein Fahrzeug auf der Straße ist es richtig wohltuend still. Dann durchschneidet der Ruf eines knallgelben Vogels die Ruhe. Beim Rausklettern hoch zur Straße sehen wir dann die Schilder, dass wir nicht auf den Kanten der ausgewaschenen Landschaft laufen dürfen, wohl um sie nicht zu zerstören. Die bestehen nicht aus widerstandsfähigem Stein, sondern aus fest gepresstem Sand, dessen Oberfläche aber leicht einbricht. Jetzt bleiben wir lieber erst mal auf der Straße.
Die Wolken verschwinden nun ganz und es wird heiß. Winzige Schatten spenden nur die dünnen Kakteen und Savannenbäume mit lichtem Blätterdach. Wir haben auf der Karte einen Aussichtspunkt entdeckt, den wir auch real sehen wollen – also munter weiterlaufen. Dann ist der Hügel mit dem Mirador erreicht. Ringsum ragen graue Formationen aus dem Boden, die an kauernde Tiere oder an Fabelwesen erinnern. Die Hügel sind bei der Erosion stehen geblieben, während der Rest weggespült wurde – trotz der logischen Erklärung sind die phantastischen Wesen mit Kakteen als Haarschmuck deutlich auszumachen. Lange halten wir es in der knallenden Sonne aber nicht aus und machen uns auf den Weg zurück unters schattige Dach der einfachen Wüstenherberge – und belohnen uns nach der Hitze ganz ungewohnt mit eiskalter Cola.
Wie kann es sein, dass wir auf kargem Wüstenboden stehen und westlich sowie östlich hohe Gebirgszüge mit sattgrünen Regenwäldern und Fahnen von Nebel sehen? Auch das erklärt sich ernüchternd einfach: Die Tatacoa – übrigens benannt nach einer Klapperschlange – liegt so tief unter den beiden gut 5000 Meter hohen Gebirgszügen, dass die Regenwolken auf beiden Seiten an den Hängen hängen bleiben und sich dort erleichtern, sie liegt also im Regenschatten. Dass bisschen Wasser, das von Norden oder Süden kommt, verdunstet bei der Hitze ganz schnell wieder. Also sind wir in einer Wüste.
Am Nachmittag verlassen wir noch einmal die Hängematten im Schatten und laufen dick mit Sonnencreme eingeschmiert in die andere Richtung. Dort gibt es einen Wanderweg durch den Cusco-Canyon, ein mehrere Quadratkilometer großes Tal, das die Erosion in den roten Teil der Wüste geformt hat. Auch wenn es schon benutzt ist, mir fällt vor allem das Wort bizarr für diese Landschaft ein, vielleicht noch Mondlandschaft. In Kurven und schnell die Orientierung verlierend, folgen wir den Markierungen durch die ehemaligen Flüsschen, biegen immer mal wieder in kleinere Seitentäler ab und bestaunen die Formationen, die da herumstehen. Manche erinnern an einzelne Felsen in der Sächsischen Schweiz, nur das hier Kakteen und nicht Bäume oben drauf wachsen. Mit der untergehenden Sonne werden unsere Schatten immer länger und die Hänge färben sich orange. Nach zwei Stunden, am Ende des Weges, ist das Wasser alle, den letzten Rest hat unser Begleiter gekriegt: ein Hund hat sich uns noch auf der Straße angeschlossen und ist brav immer neben uns hergelaufen, wir waren also mal wieder gut beschützt.
Mit einem genüsslich getrunkenen kalten Bier beobachten wir von der Herberge aus den Sonnenuntergang. Die Pause haben wir uns verdient. Das war’s aber noch nicht, der Wüstentag ist noch nicht zu Ende. Im letzten Tageslicht geht es wieder los, diesmal aber nicht in einen Canyon, sondern in ein mit Planen abgetrenntes Areal neben der Straße. Dort erwartet uns trotz wieder aufgezogener Wolken noch ein Sternenschauspiel. Astro William, wie sich der Chef der in der Wüste liegenden Sternwarte nennt, hat zur Skyshow geladen. Mit fetten, auf dem Wüstenboden aufgestellten und über GPS gesteuerten Teleskopen sehen wir den fast vollen Mond zum Greifen nahe – und die Krater erinnern wirklich ein bisschen an die Landschaft hier unten. Dann stellen sich die Fernrohre auf den Jupiter mit seinen Monden ein und dann noch auf einen Doppelstern in einer Galaxie mit Buchstaben und Ziffern.
William macht echt los und das Publikum muss mitmachen, wenn es um Himmelsrichtungen, die Eklipse und die zu sehenden Sternbilder geht. Wir haben sowieso schon wenig Ahnung vom Himmel und hier erkennen wir die Sternzeichen kaum noch, weil sie auf dem Kopf stehen. Dafür sehen wir endlich mal wieder den Stern des Südens. Gut unterhalten und um einiges Wissen reicher, kehren wir in unser kleines Zimmer zurück. Dort lassen wir die tollen Erlebnisse des vollen Wüstentages noch einmal Revue passieren. Wir können es uns nicht verkneifen, die Bilder gleich auf dem Laptop anzusehen und genießen so die Eindrücke noch einmal, zum Glück bei niedrigerer Temperatur. Die erwartet uns ganz sicher auch auf unserer nächsten Reisestation: Es geht zurück in die Berge.
Ein Kommentar
Lieber Jens,
die Bilder sind atemberaubend!! Der Blick für das Besondere und Können vereint.
Immer noch und immer wieder schön, euch beim Reisen zu begleiten. Aber nun warten wir auf euch!! 🙂
Herzlichste Grüße
Anja