Im 2. Anlauf schaffen wir es hoch in die faszinierende und geheimnisvolle Inka-Stadt in den Wolken. Und die Wolken waren wirklich da.

Habt ihr ein Glück, dass ihr das sehen könnt.“ Der das zu mir sagt, ist einer der  Tourguides. Er sagt es, als ich Fotos von einer steinernen Rinne mache, die Wasser in ein Becken leitet, in dem mehrere Rinnen enden.

Der Regen läuft auch nach 600 Jahren noch gut ab.

Was der Mann eigentlich sagen will ist 1.: habt ihr ein Glück dass es heute heftig regnet und 2.: die ausgeklügelte Entwässerung der hoch in den Anden gelegenen Inkastadt funktioniert auch  nach gut 600 Jahren noch einwandfrei. Das mit dem Regen finden wir jetzt nicht so berauschend, aber neben der Entwässerung taucht das Wetter Machu Picchu immer wieder in dichte Wolken. Da die vom Wind aber immer wieder auseinandergetrieben werden, bieten sich dann ganz andere Ansichten und Fotomotive als die auf den Plakaten und Postkarten – zumindest wenn die Linse mal frei von Tropfen ist.

Der Weg nach Aguas Calientes – irgendwo rechts oben muss Machu Picchu sein.

Am Tag zuvor sind wir nach anstrengenden sieben Fahrstunden im Örtchen Hidroelektrica angekommen. Wie der Name vermuten lässt, wird dort aus dem den Inka einst heiligen Fluss Urubamba Strom gewonnen, auch für die vielen Touristen. Nach Hidroelektrica sind wir ja auch nicht alleine gekommen. In einem der etlichen vor uns eingetroffenen Busse saß auch Selma. Nach Copacabana und Puno sind wir einfach weiter gemeinsam gereist. Aber als wir die elf Kilometer ins Dorf Aquas Calientes starten, wo unser Hostel liegt, ist Selma schon lange unterwegs. Sie reist anders als wir und versucht eine Eintrittskarte für Machu Picchu und eine Unterkunft in Aquas Calientes vor Ort zu kriegen. Wir haben das alles über eine Agentur gebucht.

Links Schrauben sich die Busse hoch und rechts ist unser Wanderweg.

Nach etwas mehr als zwei Stunden  erreichen wir das nach warmem Wasser benannte Örtchen Aguas Calientes, von dem alle Touren zur Stadt in den Wolken starten. Vor unserem Hostel wartet Selma schon, die uns gleich mal in ein Dreibettzimmer umgebucht hat, damit eins für sie abfällt. Als Single ist es schwer, in dem Touristenort ein bezahlbares Bett zu finden. Mit ihrer Lösung haben wir kein Problem. Während wir das Abendessen serviert bekommen und unseren Guide für den kommenden Tag treffen, stellt sich Selma wieder am Kartenschalter an. Nachmittags hat sie nur eine Nummer gekriegt,  mit der sie abends eine Karte kriegen kann. So werden die Leute zwar auf Trapp gehalten, aber ein merkwürdiges System ist es trotzdem. Jedenfalls ergattert sie das gleiche Zeitfenster wie wir: Einlass um 7 Uhr. Also starten wir gemeinsam hoch zur Inkastadt. Um noch eine Herausforderung zu haben und die teuren Busse zu sparen, einigen wir uns auf den steilen Fußweg hoch – 1,6 km über steile Treppen mit insgesamt knapp 500 Meter Höhenunterschied.

Der erste Blick auf die Ruinenstadt – mit noch leeren Wegen.

Um 4 Uhr reißt uns eins der Handys aus dem Schlaf. Mit noch halb geschlossenen Augen ziehen wir uns an, packen die kleinen Rucksäcke fertig und schleichen zum Frühstück. Dann hören wir ein Geräusch, dass uns traurig stimmt: Regen. Warum gerade, wenn wir hoch wollen? Ungerecht. Aber vielleicht hört es ja in den anderthalb Stunden auf, die wir steil nach oben steigen? Die von den Stirnlampen aus der Dunkelheit gerissenen Granit-Treppenstufen sind feucht und glitschig. Unsere Hoffnung bleibt unerfüllt: als wir drei oben am Eingang zu Machu Picchu ankommen, triefen wir vor Nässe und kein Ende in Sicht. Gegen die nasse Regenjacke und den Rucksack ohne Regencover helfen nur die Einwegponchos, die fliegende Händler feilbieten. Dann ist es 7 Uhr und unser Guide schickt uns zum Einlass. Ein paar Minuten später sehen wir im stärker werdenden Regen tatsächlich die Ruinen der riesigen, im 15. Jahrhundert auf 2.430 Meter Höhe in den Bergrücken gebauten Stadt.

Passgenauer als der zwei Tonnen schwere Türsturz geht nicht.

Während wir fasziniert durch die Ruinen mit teilweise rekonstruierten Bauten laufen können wir die Leistung der Inka kaum nachvollziehen, die hier oben und ohne Metallwerkzeuge eine ganze Stadt nebst riesiger Terrassen für die Landwirtschaft aus dem Boden gestampft haben. Wie haben die Erbauer es geschafft, einen zwei Tonnen schweren Türsturz im Königspalast so einzubauen, dass kein Blatt in die Fugen passt. In einigen der Mauern sind die ursprünglichen Felsen nahtlos mit eingebaut. Fast jede Hauswand lässt uns über die Fertigkeit der Baumeister und Steinmetze staunen. Während unser Führer die Fakten beiseite lässt und uns stattdessen philosophisch angeregt hat, über Machu Picchu und die Inka, seine Vorfahren, nachzudenken.

Keiner weiß genau, wofür die Inka die Stadt gebaut haben.

Den großen Reiz der Inkastadt macht das Geheimnis aus, daß niemand weiß, wofür sie gebaut und genutzt wurde. Unser Guide ist sich sicher, dass es eine Art Frauenkloster war, dass das Wissen der Inka an ausgewählte Personen weitergegeben hat, die währenddessen in der Stadt lebten. Schätzungen gehen von mindestens 400 und höchstens 1.000 Bewohnern aus. Das mit dem Kloster ist aber nur eine von etlichen Theorien über Machu Picchu. Die unter Archäologen meist verbreitete ist, dass der Inkakönig Pachacútec Yupanqui, der die 216 steinernen Bauten der Stadt erbauen ließ, sie als Sommerresidenz für sich und seinen Hofstaat nutzte. Eine andere Theorie geht davon aus, dass nur Außerirdische solch eine Leistung vollbringen konnten. Sicher ist nur, dass die Stadt aufgegeben wurde, als die spanischen Eroberer anrückten. Welche Theorie auch immer zutrifft, der Ansturm der Besucher ist riesig. Um das Weltkulturerbe zu erhalten, hat die peruanische Regierung als Tageslimit 6.000 Touristen zugelassen, wobei es ursprünglich nur 2.500 sein sollten. Die Unesco fordert gar höchstens 800 Besucher pro Tag. Das ist aber mit den lokalen Politikern nicht umsetzbar, dafür ist Machu Picchu ein zu großes Geschäft.

Toller Blick auf Machu Picchu von weiter oben – ohne Regen.

Wir haben in unserer Eintrittskarte noch einen von drei Bergen drin, die rings um die Ruinenstadt aufragen. Als wir über steile, am Abgrund entlang führende Stufen auf den Huchuy Picchu, den „kleinen Gipfel“,  klettern, hat es aufgehört zu regnen. Dann reißen sogar die tief liegenden Wolken auf. Von oben sehen wir auf die Ruinen und die riesige Terrassenanlage herunter, durch die sich wie einen bunte Schlange Massen von Besuchern durch die Bauten schieben – unsere Begeisterung wächst noch ein Stück. Dann kehren wir langsam um. Wir steigen wieder über den steilen Treppenweg runter zum Urubamba und laufen nach Aguas Calientes. Dort wartet schon, als Höhepunkt der Rückfahrt der blaue Panoramazug von Perurail, mit dem wir in gut zwei Stunden immer am wilden Fluss lang bis Ollantaytambo schaukeln. Von dort bringt uns ein Kleinbuss wieder nach Cusco. Für den einstigen Nabel der Welt, die Hauptstadt des riesigen Inkareiches von Equador bis Nordchile, hat Machu Picchu eine essentielle Bedeutung. Die heute drittgrößte Stadt Perus war nach einem schweren Erdbeben Ende des 19. Jahrhunderts so stark zerstört, dass sie in eine Art Dämmerschlaf fiel. Erst die Wiederentdeckung von Machu Picchu 1911 hat die 3.400 Meter hoch gelegene Stadt zu neuem Leben erweckt. Heute quillt Cusco quasi von Touristen über.

Das war ein tief beeindruckendes Erlebnis in der Stadt in den Wolken.

Wir gehören auch dazu und treffen in unserem Hostel in einer der engen Altstadtgassen Selma wieder, die mit dem Bus zurück gekommen ist. Wie haben wieder ein Dreierzimmer und verbringen noch einen Tag in der Stadt zusammen, bevor sich unsere Wege trennen. Unsere nächste Station, der Regenwald-Nationalpark Manu hat ein bisschen auch mit Machu Picchu zu tun.  Der Fluss dort, der Urubamba, gilt als einer der Ursprungsflüsse des Amazonas. Der wird auch aus den Flüssen gespeist, auf denen wir in Manu unterwegs sein werden.

Busfahrt am Abgrund in den Ort mit dem komischen Namen: Hidroelectrica.

Zwischen hohen Andengipfeln beobachtet uns ein Totenkopf, aber wir überleben die Fahrt.

Dann erreichen wir den Urabambo, der im Bogen um Machu Picchu herum fließt.

Von Hidroelektrica bis Aguas Calientes strecken sich gut elf Kilometer vor uns aus.

Es geht immer am heiligen Fluss der Inka entlang …

… und an den Gleisen, was den Weg erfreulich flach macht.

Ab und an scheint es uns ratsam, die Gleise zu verlassen.

Nächtlicher Aufbruch kurz vor 5. Die Touristenbusse nach Machu Picchu warten noch auf die 1. Fahrt.

Jeanette freut sich riesig auf die Inkastadt.

Selma und ich sparen unsere Kräfte für den steilen Aufstieg.

Trotz Regens gibt es schon unterwegs beeindruckende Ausblicke.

Dann sind wir endlich drin: Machu Picchu.

Was bei dem Wetter wirklich auffällt, sind die Entwässerungsanlagen in der Stadt …

… und in jeder der Terrassen für den Ackerbau.

Unser Guide hat es mehr mit der Inka-Philosophie als mit nackten Fakten zur Ruinenstadt.

Perfekte Mauern am Observatorium.

Unvorstellbar, was die Inka-Baumeister auch am Königspalast geleistet haben.

Selbst die Natursteine sind perfekt mit den behauenen Quadern verfugt.

400 bis 1.000 Menschen konnten in Machu Picchu leben.

Stein in Lamaform, wie der Guide betont, dessen Vertiefungen mit Wasser gefüllt der Sternbeobachtung dienten.

Wofür der enorme Aufwand, eine Stadt hoch in den Bergen zu bauen, …

… gedient hat, ist unter Experten noch immer umstritten.

Kurz bevor der Regen aufhört, ziehen nochmal dichte Wolken um die Berge.

Wir sehen es langsam auch so, dass wir mit dem Wetter Glück haben.

Bei blauem Himmel sieht es wohl kaum so spannend aus wie mit Wolken.

Machu Picchu zeigt sich wirklich von der mystischen Seite.

Unterdessen wird es immer voller und bunter zwischen den Terrassen und Ruinen.

Jeanette misst sich mit den riesigen Mauersteinen.

Dann wird es langsam Zeit, die Perspektive zu ändern, den Blick von oben zu wagen.

Aber vorm Berg kommt die Bürokratie: zum 3. Mal heute Ticket und Pässe kontrollieren lassen und alle Daten in ein Buch eintragen.

Dann geht es steil am Abgrund hoch.

Zuerst kommt der tiefe Blick ins Urubamba-Tal.

Da ist er, der freie und trockene Blick auf Machu Picchu von oben.

Aber kaum genießen wir die Aussicht, da quellen schon die Wolken an, von beiden Seiten.

Zehn Minuten müssen wir warten, dann reißt es genug auf für ein Erinnerungsfoto.

Jetzt steigen wir wieder runter in die Ruinen.

Fast kann man die Inka spüren, die die Treppen in nur gut 100 Jahren, die Machu Picchu bewohnt war, so heruntergetreten haben.

Auf dem langsamen Weg zum Ausgang biegen wir noch in den Condor-Tempel ab.

Das ist der Condor. Unten am Boden Körper, Kopf und der weiße Kragen, rechts und links dahinter die Felsen sind die Flügel.

Dann heißt es schon: Tschüss Machu Picchu. Wir müssen weiter ziehen.

Wir klettern den steilen Fußweg wieder runter…

… bis zum Fluss und von da nach Aguas Calientes. Auf uns wartet noch ein Highlight.

Aber zuerst noch einen Kaffee zur Stärkung – an den Gleisen.

Denen folgen wir zum Bahnhof, wo der Zug 204 wartet, …

… der uns ganz nobel und gemütlich schaukelnd ein gutes Stück zurück gen Cusco bringt.

Immer im engen Urubamba-Tal lang tuckert der Perurail-Zug bis Ollantaytambo, von dort geht es mit dem Bus weiter.

Bis Cosco durch rattert nur der „Hiram Bingham“-Nobelzug, benannt nach dem Wiederentdecker von Machu Picchu 1911.

Zurück in Cusco gönnen wir uns ein lokales Bier, dass ebensowenig auf Machu Picchu verzichten kann, wie so vieles in der Touristenstadt.

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