Fünf Tage lang sind wir im Dschungel in Peru. Was wir im Parque Nacional Manu erleben und zu Gesicht kriegen.

Weiter Blick auf dichten Dschungel mit Fluss.

Der Weg auf matschigen Urwaldpfaden hoch zum Aussichtspunkt ist extrem schweißtreibend. Die Luft ist heiß und schwül. Aber es ist die Mühe wert. Nicht nur der weite Blick auf das üppige Blätterdach und den Fluss Palotoa entschädigen für den Aufstieg. Unser Führer Angelito reicht Jeanette das Fernglas und deutet auf einen Baum ein Stück im Dschungel, dessen Äste deutlich wackeln. Dann entfährt ihr ein halblautes Oh und sie lächelt breit. Als sie das Fernglas absetzt, flüstert sie uns zu, was sie grad erlebt hat. Ein Kapuzineraffe hat wohl mitgekriegt, dass er beobachtet wird. Das als sehr intelligent geltende Tier hat sich hinter ein großes Blatt geduckt und vorsichtig über den Rand zu dem komischen Wesen mit Stielaugen geguckt, sich wieder versteckt und wieder über den Blattrand gesehen. Irgendwann ist er zu seiner Familie zum Schlafplatz in eine Astgabel geklettert. Dann hat Jeanette nur noch ein dunkles Knäuel gesehen, aus dem mal ein Arm, mal ein Bein oder Schwänze ragen.

Kapuziner gelten als intelligente Affen, sie nutzen Werkzeuge – und verstecken sich vor Jeanette.

Das Glück ist uns drei Touristen (wir und die nette Engländerin Michelle) hold und Angelito ist stolz uns ein paar Bäume weiter auch noch Totenkopfaffen zeigen zu können. Sie sind beim verschwenderischen Abendmahl, schnappen sich eine Frucht, knabbern sie an, werfen sie hinter sich und schnappen sich die nächste. Als sie weiterziehen, begegnen uns die Tiere, die man im Manu Nationalpark als einzige garantiert immer trifft: Moskitos. Im Dämmerlicht umschwirren uns so viele, dass wir die Flucht antreten und in den dunkel werdenden und vor fremdartigen Geräuschen fast vibrierenden Wald absteigen. Angelito, der dort aufgewachsen ist, findet bei unserer zweiten von drei Nachtwanderungen immer wieder im Kegel seiner Taschenlampe neue Tiere: teils handtellergroße Spinnen, riesige Raupen, bizarre Nachtfalter, wilde Hühner hoch oben im Baum, urtümliche Knorpelfische in Tümpeln, leuchtende Kaimanaugen am Ufer eines Sees oder ganz frische Wildschweinspuren.

An der Lehmlecke tauchen endlich ein paar Papageien auf.

So viel zu sehen ist nicht selbstverständlich, auch wenn die Zahl der in Manu nachgewiesen Arten gigantisch ist (Infos siehe unten). Die Tiere leben weit verstreut und sind meist sehr scheu. Und die Fläche, die wir einsehen können, ist sehr klein. Uns bleibt ja nur, mit Geduld auf den wenigen durch den ansonsten fast undurchdringlichen Urwald geschlagenen Pfaden leise zu bewegen. Am nächsten Morgen sitzen wir fast eine Stunde beim Sonnenaufgang unbeweglich und stumm auf Campinghockern hinter Pflanzen versteckt am Fluss und starren auf das gegenüberliegende Steilufer – es ist noch leer. Der Lehm dort lockt normalerweise verschiedene Ara-Arten und kleinere Papageien an, die die Mineralien im Dreck zur Verdauung brauchen.

Halbwilde Aras krieg ich nahe einer anderen Lodge vor die Linse.

Heute zeigen sich erst sehr spät ein paar grüne Papageien, fliegen aber, kaum das wir sie gesehen haben, wieder weg. Die Aras, die in den Bäumen überm Steilufer landen, kommen auch nicht zur sogenannten Lehmlecke. Angelito vermutet einen Greifvogel in der Nähe. Am übernächsten Morgen sind dann einige der grünen Papageien am Lehmufer und kurz kriegt Angelito sogar zwei Tukane in sein riesiges Fernrohr. Die leuchtend bunten Aras zeigen sich wieder nicht. Trotzdem sind wir bei jedem Ausflug begeistert, denn auch die Vielfalt der Pflanzen ist extrem. Und zu hören gibt es ständig was. Mal gurrt oder quietscht ein Vogel, mal hört sich einer wie eine Kuckucksuhr an oder wie eine Schar Wildtruden, die statt Ronja Räubertochter nun uns verfolgen.

Mit Gummistiefeln und nassem Shirt auf urigen Urwaldpfaden.

Auf den matschigen Tag- oder Nachtwanderungen, immer in Gummistiefeln und durchgeschwitzem Langarm-Shirt, erklärt uns Angelito sehr viel zu Tieren, Bäumen und heilenden Pflanzen in dieser scheinbar heilen Welt. Er verheimlicht uns aber auch die Bedrohungen durch die Menschen nicht, die Ackerflächen, Bodenschätze, jagdbares Wild oder wertvolle Bäume suchen. Wirklich unberührt und für Besucher gesperrt ist der größte Teil des riesigen Nationalparks. Wir sind in der Zone am Rand zu Gast, in der entlang der Flüsse noch Landwirtschaft für die Bewohner und der Tourismus erlaubt sind. Angelitos Eltern waren lange auch Urwaldbauern. Um ihren zehn Kindern (Angelito sagt schmunzelnd, dass es keinen Strom und damit keine abendliche Ablenkung wie Fernseher gab) den Schulbesuch zu ermöglichen, zogen sie ins nächste Dorf. Auf dem Urwaldgelände bauten sie bungalowähnliche oder auf einem Bein stehende Häuser und zogen das touristische Familienunternehmen auf. Von Cusco aus sind wir sieben Stunden im Kleinbus unterwegs, eineinhalb Stunden im größeren und fast eine Stunde im kleinen Boot. Der große Bruder Saul holt uns mit dem größeren Boot vom Minibus ab und schippert uns auf dem Rio Madre de Dios entlang. Auf dem kleineren Rio Palotoa übergibt er uns an den Jüngsten, David, der uns mit dem kleinen Boot durchs teils ganz flache Wasser zur Lodge bringt.

David lässt seinen großen Bruder Angelito über Bord gehen und der muss hinterher schwimmen.

Dass David noch lernen muss, bis er so gut wie die großen Brüder Boot fährt, beweist er zu Ungunsten von Angelito. Wir machen uns kurz vor der Dämmerung auf, um flussabwärts in der Schlafbäumen am Ufer nach Brüllaffen zu suchen. Statt des sehr lauten Motors, der mit seinem Sound den Booten ihren Namen Pecke Pecke gegeben hat, soll David uns mit einem Paddel durch die Strömung navigieren. Aber er kommt nicht richtig mit den Richtungen klar. Als das Boot quer auf eine Kiesbank zutreibt, springt Angelito auf, stellt sich auf die Bootsspitze um das Stranden mit einem langen Stakstab zu verhindern, was auch gelingt. Zurück in der Strömung taucht David unvermittelt das Paddel ins Wasser, das Boot ruckt zur Seite, Angelito verliert den Halt und fällt in den Fluss. An der nächsten Sandbank kriegt David das Boot zum Stehen und sein Bruder klettert wieder an Bord. Das Wasser ist so flach, dass keine Gefahr von Kaimanen oder Krokodilen droht.

Der gut gelaunte Urwaldkoch zaubert uns tolle Gerichte.

Die Affen sehen wir zwar nicht, aber beim üppigen Abendessen haben wir viel zu erzählen und zu lachen. Weil es schon der letzte Abend ist, zaubert uns der immer fröhliche Urwaldkoch noch vier Pisco Sour, damit wir mit Michelle und Angelito auf die spannenden und fotoreichen Tage und Nächte im Dschungel anstoßen können. Der Führer bietet mir sogar an, zurückzukommen und als deutsch-englicher Urwald-Tourguide einzusteigen – meine Zukunft in Peru wäre gesichert, so ich das wöllte. Bei der Rückfahrt am nächsten Morgen erleben wir dann doch noch, warum der Dschungel auch Regenwald heißt. Auf dem offenen Pecke Pecke ohne Dach können wir uns leider nicht so gut verstecken wie der Kapuzineraffe hinterm Blatt.

Informationen zum Manu-Nationalpark:

  • Größe: 1,7 Millionen Hektar (Sachsen: 1,84 Millionen Hektar)
  • gilt vielen Forschern als artenreichster Regenwald weltweit
  • je Hektar 250 Baumarten (in Deutschland insgesamt 77 Arten)
  • 4.385 verschiedene Arten von Pflanzen
  • bisher entdeckt: 1.025 Vogelarten (etwa 9.000 gibt es weltweit)
  • 221 Säugetierarten – die meisten davon sind kaum mal zu entdecken
  • 1.307 Arten von Schmetterlingen
  • acht Wildkatzenarten – der berühmteste ist der Jaguar
  • 15 Affenarten (wie haben immerhin vier gesehen)
  • 27 verschiedene Papageien
  • 132 Arten von Reptilien und 155 Amphibien
  • 300 verschiedene Sorten Ameisen
  • 650 Käfer-Arten – und ständig werden neue Arten entdeckt.

Früh um 4 Uhr warten wir darauf, abgeholt zu werden.

Angelito erklärt die Schutzzonen des Manu-Parks. Wir fahren zur Markierung ganz am Rand.

Von den Andengipfeln (3.500 m) reicht der Nationalpark bis kurz vor Braslilien ins Flachland (450 m)

Die Straße dahin ist eng und teils schlecht, wir brauchen von Cusco 7 Stunden.

Im Hafen von Atalaya steigen wir auf die großen Boote um.

Eineinhalb Stunden lang schippern wir über den wilden Rio Madre de Dios.

Im kleineren Boot geht es auf dem Rio Palotoa bis zur Lodge.

Den kleinen Fluss bewältigen wir in solch einem, sehr lauten Pecke Pecke mit langen Außenbordausleger.

In diesem Einbein-Dschungelhaus wohnen wir während unseres Manu-Ausfluges.

Unser Rund-Zimmer mit Moskitoschutz-Bett, heißer Dusche (neben Jeanette) und Toilette (hinter der Bambus-Wand).

Wenn man im Dschungel schön leise ist, kann man sowas entdecken:

Wollaffenmama mit Nachwuchs.

Sehr viele Schmetterlinge.

Mehr als 1.300 Arten von Tag- und Nachtfaltern wurden bisher entdeckt.

Darunter sind solch bizarre Nachtfalter …

… und solche, die sich durch ein schlangenähnliches Aussehen schützen.

Echte Schlangen gibt es auch, wie diese kleine, aber sehr giftige Korallenschlange.

Zu den grusligen Arten gehören die Skorpionspinne …

… und die handtellergroße Tarantula.

Der Tausendfüßler hat versucht, sich vor der Kamera zu verstecken, vergeblich.

Die „Gewehrkugelameise“ zählt mit ihren 25 Millimeter zu den größten (und giftigsten) der 300 Ameisenarten.

Zu den eifrigsten Arten gehören die Blattschneideameisen.  https://www.youtube.com/watch?v=88_-3AzUNgU

Die Aras gehören zu den farbenprächtigsten (und lautesten) Papageien in Manu.

Sehr laut kann auch der Hoatzin sein, der wegen seines üblen Geruchs auch „Stinky Turkey“ genannt wird.

Unausweichlich ist im Dschungel die Begegnung mit diversen Moskitoarten.

Wenn wir (mit der Engländerin Michelle) gerade keine Tiere sehen, erklärt uns Angelito die Pflanzenwelt.

Darunter gibt es eine Palmenart, die sich mit speziellen Wurzeln zum Licht hin bewegen kann, überraschenderweise „Walking Tree“ genannt.

Schön leuchtende Blüten gibt es überall im Wald zu entdecken.

Mindestens 250 Jahre alt ist dieser Baum, der wegen seines harten Holzes sehr gefährdet ist.

In Manu wachsen pro Hektar 250 Baumarten, in ganz Deutschland sind 77 heimisch.

Einfach nur schöne: Manche Bäume blühen gerade mitten im Dschungel.

Zwischen manchen Brettwurzeln können wir uns gut verstecken.

Einen Nachmittag lassen wir uns in Traktorschläuchen ein paar Kilometer den Fluss runtertreiben.

An einem anderen warten wir am Ufer auf Brüllaffen in ihren Schlafbäumen – vergeblich.

Am letzten Abend kommt Gewitterstimmung auf.

Und morgens regnet es, hört aber bald wieder auf.

Erst als wir im offenen Pecke Pecke sitzen, fängt es wieder an, aber so richtig.

Der Regenwald verabschiedet uns, wie es sein Name verheißt.

Mit Michelle haben wir uns gleich, nachdem wir wieder trocken und aufgewärmt waren, in Cusco getroffen. Ein schöner Abschluss der Dschungeltour.

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