Wir können bestimmen, wann wir mit dem Bus weiter fahren wollen. Bezahlen dürfen wir auch. Aber der ganze Rest liegt dann nicht mehr in unseren Händen.
Auf dem Bus prangt „Aventuras turisticas“. Dieser Slogan, der Abenteuer für Reisende verspricht, trifft es gut. So lässt sich beschreiben, wie sich unsere Fahrt in Guatemala von Lanquin nach Antigua gestaltet hat. Diesmal ist allerdings nicht die Fahrt selbst das Abenteuer, sondern wie wir in dem für die gut zehnstündige Fahrt arg klapprigen Touristenkleinbus gelandet sind.
Wie hier üblich, bucht man solche Strecken, die kein öffentlicher Bus direkt fährt, im Hotel. Auch in unserem wird das angeboten. Zwei Tage vor der Weiterreise fragen wir, wie es aussieht. Alles gar kein Problem, sagt der Chef der kleinen Anlage namens „Aruma“, die nur sieben Kilometer weg von Lanquin im Wald liegt. Nur bedeutet das „nur“ bei den extrem steilen und holprigen Pisten rings um den Touristen-Spot Semuc Champey (terrassenförmige, azurblaue Badeseen, siehe nächster Blogbeitrag) eine dreiviertel Stunde Fahrt in oder auf einem Allrad-Pickup, die hier als Shuttles fungieren. Damit muss für uns auch der Transport bis zur Abfahrtsstelle des Antigua-Busses im Städtchen organisiert werden.
Also fragen wir am nächsten Morgen wieder nach. Alles kein Problem und wir sollen ihn später nochmal ansprechen. Das tun wir am späten Nachmittag auch. Da willigt der Hotelchef ein, unser Geld einzustreichen. Etwas verwundert sieht er mich an, als ich nach einer Quittung frage. Die sei nun wirklich nicht nötig für den guten Service, den er anbiete. 7:20 Uhr am nächsten Morgen sollten wir einfach bereit stehen. Dann würde uns ein Wagen abholen, er würde mit dem Fahrer alles klären und der würde uns direkt zum richtigen der kleinen Busse bringen, die alle kurz nach 8 Uhr zu zig Touri-Zielen abfahren. Also alles im Kasten? Fast.
Dann passiert etwas völlig Schräges und auch Bedrohliches, so dass wir schon um die Abmachung bangen. Kurz bevor wir im kleinen Restaurant des Hauses Abendessen wollen, zerreißt ein Schuss die Stille. Auf der Straße steht ein Motorrad und der Fahrer brüllt irgendwas in die Dunkelheit und irgendwer antwortet lautstark. Getroffen ist offenbar niemand. Aber was los ist, ist unklar. Dann taucht der Chef des „Aruma“ auf und erzählt ganz gelassen, er habe ein Tier für seine Hunde geschossen, das mache er immer mal. Keine 20 Minuten später halten mehrere Autos vorm Hotel und ein Dutzend kräftiger Männer stürmen aufs Gelände, schnappen sich nicht gerade zaghaft den Chef und zerren ihn zu einem ihrer Wagen. Deutlich aggressive Worte fallen. Dann wird es ruhiger. Weil es von Ferne aussieht, als sei der Hotelchef an den Wagen gefesselt, traue ich mich dann doch mal hoch – in der Überzeugung, dass die Typen mir als Ausländer schon nichts tun.
Drei von ihnen kommen auf mich zu – und reichen mir zur Begrüßung die Hand. Einer erklärt, dass der Motorradfahrer Angst hatte, beschossen zu werden und sie gerufen hätte. Sie seien alles Leute aus der Gegend und hätten die Polizei angefordert. Die werde den Schützen ganz sicher mitnehmen. Mit dieser Aussicht scheint unsere Fahrt nach Antigua ins Wanken zu geraten. Aber keine Polizei kommt. Statt dessen wird es plötzlich wieder laut und Schläge sind zu hören. Mit einer Mitarbeiterin renne ich wieder zu Straße und rufe mehrfach „Stopp!“, bleibe aber auf etwas Abstand. Dann ein Schrei und der Chef rollt den Abhang hinunter. Als er wieder hoch gekrochen ist, gibt’s einen erstaunlich ruhigen Wortwechsel mit dem Anführer der Einheimischen. Dann gibt er dem Hotelchef die Hand, dreht sich um und fährt mit seinen Kumpanen davon. „Das ist normal in Guatemala, wenn man ein Problem löst“, sagt der Hotelchef. Damit sei es aber auch erledigt. Zudem sei es gut, dass die Leute aufeinander aufpassen. Ah, ja! Mit einem Cuba Libre und einem Tequila hinterher bedankt er sich für den Beistand und alles ist, als wäre nichts gewesen – bis auf seine dicke Lippe und mehrere Pflaster.
7:18 Uhr am Morgen hält ein Pickup vorm Hotel, wir steigen ein, der Chef redet mit dem Fahrer, drückt ihm Geldscheine in die Hand und weg sind wir – alles wie angekündigt. Und unsere aktive Rolle in dieser Tour ist damit beendet. In Lanquin bedeutet uns der Pickup-Fahrer im roten T-Shirt, dass wir noch warten müssen, da unser Bus nicht unter den sechs ist, die sich schon mit Touristen füllen. Dann verhandelt er mit einem Mann im schwarzen Shirt, gibt ihm Geld. Dann gibt ihm der Schwarze welches zurück und telefoniert.
Wir sitzen im staubigen Schatten und sehen dem Treiben gespannt zu. Mehr können wir eh nicht machen, weil wir nicht mal eine Idee haben, nach welchen Gesetzen das Ganze hier abläuft. Dann steigt der Rote ohne ein Wort zu uns in seinen Wagen, zeigt kurz auf einen in Orange und fährt los. Der Orange nickt uns zu, zeigt aber auf einen Telefonierenden im dunkelblauen Shirt. Mit ein paar Geldscheinen in der Hand winkt uns aber plötzlich ein Mann im hellblauen Shirt zu und fragt „¿Antigua?“. „¡Si,claro!“. Wir sollen ihm folgen. Wie würden wir nur mitkriegen, wer für uns zuständig ist, wenn alle die selben Sachen anhätten?
Als wir die Rucksäcke auf haben, ist der Hellblaue verschwunden. Wir müssen um zwei Busse kurven, um ihn am allerletzten in der chaotischen Reihe winken zu sehen. Dann darf ich doch noch aktiv werden: Ich reiche unser Gepäck dem Busfahrer aufs Dach, wo alles verschnürt wird. Jeanette hat schon zwei Plätze im Bus besetzt, die etwas Beinfreiheit versprechen. Aber weder fragt uns jemand nach einer Quittung, die die anderen vorzeigen, noch würdigt uns der Fahrer eines Blickes. Er zählt kurz seine 13 Fahrgäste durch – ob die Zahl was zu bedeuten hat? – und schließt die Türen. Jetzt müssen wir nur noch wirklich im richtigen Bus sitzen …
Ein Kommentar
Uhh, das ist schon ein bisschen viel Abenteuer. Scheinen aber freundliche Gangster zu sein, die einen mit Handschlag begrüßen, zusammenschlagen und dann mit Handschlag wieder verabschieden. Bleibt spannend, Eure Reise.
Gute Ankunft nach der Busfahrt!