Nach elf Jahren sind wir wieder in Ushuaia, ganz weit unten am „Fin der Mundo“ in Argentinien. Wie es uns damit geht und wie es sich anfühlt, in der Fremde auf Bekanntes zu treffen, davon und von unseren Erlebnissen am Ende der Welt handelt dieser Beitrag.

Auf der Hauptstraße hat sich kaum was verändert. Die meisten Gebäude entlang der Avenida San Martin sehen noch so aus wie vor fast genau elf Jahren, das eine oder andere ein bisschen mehr runtergekommen, andere, wie das alte Postgebäude frisch angestrichen. Es ist ein schwer zu beschreibendes Gefühl, nach 2013 nun wieder durch die steilen Straßen von Ushuaia zu streifen. Ein bisschen heimisch fühlt es sich an, zugleich aber auch fremd. Uschuaia, die südlichste Stadt der Welt, die den Beinamen „Fin der Mundo“ trägt, das Ende der Welt, hat sich verändert, wir und unsere Art zu Reisen aber auch.

Einfach gebaute Häuser fressen sich immer weiter in den kalten Regenwald hinein.

Kurz bevor das Flugzeug auf der direkt am Ufer des Beagle-Kanals beginnenden Landebahn aufsetzt, macht sich eine selten gefühlte Aufregung breit. Die Stadt dort unten sieht aus der Luft viel größer aus, als wir sie in Erinnerung haben, aber wir erkennen auch viel sofort wieder. Vor elf Jahren sind wir allerdings mit dem Bus angekommen und hatten den luftigen Überblick nicht. Aber an den Rändern der zwischen Wasser und steilen Bergen gelegenen Stadt sind viele Neubaublöcke zu sehen. Und die Hänge hoch haben sich Häuser tief in den extrem langsam wachsenden subantarktischen Feuchtwald gefressen. Wiedersehensfreude mischt sich mit der Enttäuschung über die Veränderungen. Aber nicht nur bei uns ist die Zeit weitergegangen. Die Einwohnerzahl Ushuaias ist von damals 65.000 auf heute 84.000 gewachsen und die Leute brauchen ja logischerweise Wohnungen. Aber trotzdem.

Da sind die Häuser tief im Wald, die wir gleich am ersten Tag sehen. Bei unserer Wanderung auf 900 Meter kurz unterm Gipfel des Cerro del Medio steigen wir gefühlt ewig durch den wie in einem Märchen aussehenden dichten Wald voller krumm und schief gewachsener und mit langen Flechtenbärten behangenen Bäumen auf schlammigen Wegen steil nach oben. Bis weit hinter die Stadtgrenze und Zufahrtsstraßen passieren wir immer wieder aus Holzplatten gezimmerte Häuser und über Bäume verlegte Stromkabel. Vor den unfertig aussehenden Bauten liegen die Stämme abgeholzter Bäume, als Brennmaterial. Auch wenn die jungen Menschen, die wir dort sehen, freundlich grüßen, hinterlässt der Anblick Traurigkeit über die unaufhaltsame Entwicklung. Andererseits wollen wir ja auch nicht ein komplettes zurück zu Früher, wir wollen ja Neues Erleben und Fühlen.

Ein paar Augenblicke Sonnenschein 850 Meter über Ushuaia

Die Traurigkeit verfliegt aber beim Anblick der grandiosen Landschaft über der Baumgrenze und im kurzen Moment des wohlig wärmenden Sonnenscheins. Wenige Augenblicke später zeigt sich der Sommer in Patagonien von seiner anderen Seite, mit Graupelschauern bei +2 Grad. Aber das ist der Süden Südamerikas: wunderschön und unberechenbar.

Als wir Maria, der Vermieterin unseres Zimmers, gleich bei der Ankunft von unseren Tagen hier 2013 berichten, erzählt sie, dass sich seither viel verändert hat: der Gletscher über der Stadt sieht anders aus, Flüsse haben ihren Lauf verändert. Wir hatten uns aber vorher schon entschieden, diesmal andere Gegenden zu besuchen als damals. Daher fallen uns die Veränderungen in der Natur nicht auf.

Mit dem kleinsten Boot im Hafen fahren wir an gigantischen Kreuzfahrtschiffen vorbei zum Leuchtturm raus.

Vielleicht ist das besser so, auch wenn es eine Art Heimischfühlen ist, alte Orte erneut zu sehen. Damals haben wir mit einem kleinen Boot mit zehn Passagieren eine Insel mit Pinguinkolonien besucht. Heute fahren da Katamarane hin, auf die bestimmt 100 Menschen passen. Wir finden aber einen Anbieter, der noch ein Miniboot betreibt und damit zum berühmten Leuchtturm im Beagle-Kanal fährt. Es geht sehr dicht an kleinen Inselchen vorbei, auf denen Seelöwen leben, hunderte Paare Königskormorane und neuerdings sogar Albatrosse brüten. Auf einem Felsen sehen wir sogar einen Seeelefanten dösen.

Neu im Programm auf Feuerland haben wir auch den Nationalpark Terra del Fuego, in den wir mit einem der Touristenbusse gebracht werden. Gleich an der ersten Haltestelle springen wir aus den Sitzen. Dort, am südlichsten Postamt der Welt, das aber geschlossen ist, startet ein acht Kilometer langer Wanderweg fast immer direkt am Beagle-Kanal entlang durch die verwunschenen Feuchtwälder und mit Aussichten auf die verschneiten, bis zu 1.500 Meter hohen Berge ringsum. Bei typisch patagonischem Wechsel zwischen Schneeregen und Sonnenschein genießen wir einen wunderbaren Tag.

Der an Märchenverfilmungen erinnernde subantarktische Regenwald

Was jetzt anders ist, ist auch unsere Selbstverständlichkeit, abends in Ushuaia irgendwo einzukehren, möglichst weit weg von der sehr touristischen Hauptstraße. Auch wenn die Bedienungen ein paar Blocks von der San Martin entfernt nur Spanisch sprechen und kein Englisch verstehen, kommen wir super klar. Damals, 2013, war es unsere allererste große Südamerikareise. Die damalige Angst vorm Nichtverstehen ist Dank vieler Erfahrungen und vor allem Jeanettes Spanisch-Stunden einer Gelassenheit gewichen.

Was sich nicht verändert hat ist unsere Begeisterung, wie immer wieder alles klappt. In Dresden haben wir Anfang November einen Bus gebucht, der uns vom Fin del Mundo in 13 Stunden nach Punta Arenas bringt, der größten Stadt im Süden Chiles, wo der kleiner Camperbus auf uns wartet. Nach Abschiedsumarmungen mit Maria und ihrem Mann im Hostel stehen wir kurz nach halb acht auf dem Busbahnhof am Hafen von Ushuaia – und unsere Namen stehen auf der Liste des Busfahrers. In Zeiten immer weiter fortschreitender Technik mag das normal sein, aber es fühlt sich für uns dennoch irgendwie skurril an und Jeanette ist ganz begeistert, wie das klappt. Jetzt starten wir bei aufreißenden Wolken in ein anders Land und einen neue Reiseetappe und Fortbewegungsart: mit eigenem Auto sechs Wochen lang durch Patagonien und Südchile. Wir sind aufgeregt gespannt.

6 Kommentare

  1. Hallo ihr Lieben was für traumhafte Bilder und wunderschön wie ihr euer Ankommen beschrieben habt. Ja die Veränderungen sind wohl auch am Ende der Welt allgegenwärtig und werden euch sicherlich noch öfter ins Auge springen….aber so ist das Leben wir hier machen uns über mangelnde Ladeinfrastruktur Gedanken wo andere Menschen nur froh sind ein Dach über dem Kopf zu haben…so unterschiedlich können Gesellschaften sein…

    Wir sind schon sehr auf euer Fahrzeug, eure Erfahrungsberichte und die Route gespannt die ihr damit hinter und unter euch bringen werdet…

    Ganz liebe Grüße, bleibt gesund und viel Spaß bei allem was ihr treibt

    V&A ❤️

  2. Hallo, ihr Lieben in der Ferne! Wir verfolgen wieder eure Berichte und tollen Bilder. Genießt weiter Menschen und Natur!
    Liebe Grüße euch aus dem verschneiten Dresden Heidi uns Klaus

  3. Wie schön klingt das denn! Einmal bis nach Feuerland bitte (das Schiff ist leicht entartet). Genießt die Zeit, es ist bewegend, eure Eindrücke zu lesen und fotografiert zu sehen…

    • Wenn ich die Bilder sehe und euren Text lese, bin ich wirklich ein wenig neidisch. Es klingt einfach wundervoll. Genießt die Zeit und nehmt viele tolle Erlebnisse mit!

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