Der unglaublich riesige Amazonas hat seinen ganz eigenen Reiz, vor allem wenn in der Regenzeit ganze Landstriche geflutet sind.

Ganz viel Urwald und ein riesiger Fluss, der sich hindurch schlängelt und in dem es von Piranhas wimmelt. Viel mehr wissen wir nicht vom Amazonas. Das soll aber nicht so bleiben und wir nutzen die Gelegenheit, einen Abstecher nach Leticia zu machen, das im äußersten Zipfel Kolumbien an eben jenem Fluss liegt. Um die Gegend etwas genauer zu erkunden, machen wir uns mit zwei anderen Touristen und drei Begleitern auf zu einer Dreitagestour. Was wir nicht erwartet haben: Wir betreten drei Tage lang kein Land mehr. Das Leben hier im Amazonas findet während der gerade langsam endenden Regenzeit im Boot oder in Häusern statt, die auf Stelzen stehen und in die wir vom hölzernen Motorboot aus über schwimmende Stege kommen. Der viele Regen hat den Amazons so sehr anschwellen lassen, das große Teile des Regenwaldes meterhoch überflutet sind.

Tomas (l) beaufsichtigt den Steuer-Lehrling.

Eine enorm große Menge hellbraunes Wasser lässt das zwölf Meter lange Boot wie die berühmte Nussschale erscheinen. Dabei bestaunen wir den Amazonas an einer eher engen Stelle, wo die Ufer gut einen Kilometer auseinander liegen. Wir sind ja auch noch am Anfang des gut 7000 Kilometer langen Flusses. Weiter unten in Brasilien ist der Amazonas mit 20 Kilometern ein gutes Stück breiter als der Bodensee. Von dem einen Kilometer sind wir aber trotzdem tief beeindruckt. Ich bin froh, als uns Bootsführer John sicher durch Wellen, Strudel und in den Fluten treibende Bäume gebracht hat. Unser Guide Tomas, der in einem Indiodorf an einem der Nebenflüsse aufgewachsen ist, füttert uns derweil mit Zahlen zum mittlerweile als längsten Fluss der Welt geltenden Amazonas. Die Tour haben wir auch wegen ihm gebucht, weil er neben Spanisch, Portugiesisch und ein paar Indiosprachen auch Englisch spricht und zudem ein lustiger Mensch mit dem Schalk im Nacken ist. Er weiß, wovon er spricht, wenn es um den Fluss und die Natur ringsum geht.

Den gefluteten Urwald erleben wir gleich beim ersten Ausflug – mit einem Kanu. Vorn paddelt und steuert ein Mann aus dem Indiodorf Gamboa am gleichnamigen Nebenfluss, dahinter sitzen Jeanette, Cathriona aus Irland und der fürs Wasser raus schöpfen zuständige Erik aus Plauen. Ich hocke ganz hinten, ebenfalls mit einem handgeschnitzten Paddel bewaffnet. Damit hab ich ordentlich zu tun, als der Einheimische den Holzkahn vom Gamboa weg zwischen die Bäume lenkt. Während er mit der Machete den Weg frei schlägt, versuche ich, das Gefährt um die teils sehr stachligen Bäume zu lenken, die dicht an dicht aus dem Wasser ragen.

Der Mann, dessen Namen ich nicht weiß, zeigt mit spanischen Erklärungen auf bunte Vögel, handtellergroße Spinnen und ein paar in den Blättern kaum zu sehende Affen. In einem kahl gefressenen Baum hängt ein schlafendes Faultier. Ein Highlight der Tour ist ein „walking tree“, ein 900 Jahre alter „gehender Baum“, der aus vielen Bäumen zu bestehen scheint, die wie dutzende Beine im Wasser stehen – ein beeindruckender Anblick. Von dem riesigen Baum hängen fette Lianen herunter. Da bietet sich ein bisschen Tarzan-Feeling an: Wir lassen uns an einer ein paar Minuten überm Wasser schaukeln – bis die Füße in der pflanzlichen Schlaufe weh tun ;-).

Was wir auch nicht wissen: Im Amazonas leben zwei Arten von Delfinen – und eine davon ist einmalig. Wir haben nicht nur mit dem Wetter Glück auf unserer Tour (es regnet nur eine Nacht lang), sondern auch mit den Delfinen. Bei einer entspannten Fahrt mit Motorkraft auf einem der vielen Amazonas-Nebenflüsse ruft Tomas plötzlich laut „Wow!“. Etwas Rosafarbenes ragt kurz aus den Fluten. Wir kriegen doch tatsächlich einen rosa Delfin zu Gesicht, besser gesagt gleich fünf, die laut Luft holen oder ihre Rückenflosse beim Abtauchen aus dem Wasser halten. Die Tiere haben ihre Farbe vom Futter, erklärt Tomas, sie fressen viele rote Krebse und nehmen wie Flamingos von den Algen die Farbe der Beute an. Gegen Abend, es ist noch schön warm, schippert uns John in einen See, zum Baden. Während wir im Wasser plantschen und dem verschmitzten Guide lieber nicht glauben, der was von Anakondas und Piranhas ruft, tummeln sich zwei rosa Delfine vielleicht fünfzig Meter von uns weg.

Die ersten selbst geangelten Piranhas

Von den grauen Delfinen sehen wir dagegen nichts. Auch die von Tomas erwähnten Schlangen bleiben verborgen, was wohl auch besser ist, können sie doch durchaus acht Meter lang werden. Die beißfreudigen Piranhas spielen am nächsten Tag eine große Rolle. Da müssen wir uns das Mittagessen selbst erarbeiten, kündigt Tomas mit verschmitztem Grinsen an. Mit dem Motorboot fahren wir in einen See, der in Brasilien liegt (die Lodge ist in Peru und unser Ausgangspunkt im Dreiländereck ist in Kolumbien). Jeder bekommt eine Angel in die Hand gedrückt, also einen dünnen Ast mit Sehne und Haken mit Fischresten. Um die Piranhas zur Angel zu locken, müssen wir erst eine ausgefeilte Technik erlernen: Haken ins Wasser und mit der Angel ein paar Mal kräftig aufs Wasser hauen. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Weil nach einer Weile am Seeufer aber nichts mehr beißt, geht’s zurück nach Peru in den überfluteten Urwald. Dort holen wir noch ein paar Exemplare raus. Am Ende können wir stolz 32 Fische zählen … allerdings keiner größer als 15 Zentimeter. Auf den Mittagstisch kommen dann ganze vier davon, für die Touris zum Kosten. Viel ist zwar nicht dran, aber selbst gefangen schmecken sie ganz köstlich.

Mit Paddelbooten geht’s auf Nachttour.

Ein anderes Tier mit kräftigem Gebiss, sehen wir nach dem Sonnenuntergang: ein Kaiman, wenige Monate alt. Unser einheimischer Führer hat bei der Nachttour dessen Augen schon von Weitem im Licht der Taschenlampe leuchten gesehen. John lenkt das Boot ans Ufer, der Guide greift beherzt zu und präsentiert uns stolz das Raubtier. Während er erklärt, wie das Reptil unter Wasser seine Beute erlegt – es hat keine Zunge und kann daher erst an Land zubeißen – drückt er mir den Kaiman so in die Hand, dass seine spitzen Zähne nichts ausrichten können. Als der Räuber wieder im Wasser ist und das Boot fast lautlos über den dunklen See gleitet, können wir ein ganz anderes Schauspiel genießen: erst Glühwürmchen dann den Sternenhimmel. Hier, wo kein Licht stört, leuchten unglaublich viele Sterne, die sich mit der Milchstraße auch im Wasser spiegeln.

Das nächste künstliche Licht sehen wir erst kurz vorm Anlegen an der Lodge. Dort erfahren wir dann auch prompt, wie die Milchstraße entstanden ist. Tomas erzählt uns als Gute-Nacht-Geschichte eine uralte mündliche Überlieferung seines Indio-Stammes, nach der ein ganz früher Vorfahre im Fluss ertrunken ist und seine Luftblasen als Sterne bis zum Himmel aufgestiegen sind. Mit einem ordentlich lauten Natur-Konzert von Fröschen, Grillen und Nachtvögeln am Fluss schlafen wir sanft ein.

Ein Kommentar

  1. Ahoi, seit wann trägt Tarzan keinen Lendenschurz mehr???? Wir sind verwirrt.
    Liebe Grüße aus dem sektfreudigen, nächtlichen Lehrerzimmer.
    Von Tina und Anja
    Achso, wir freuen uns, dass euer Urlaub bald vorbei ist.
    :)))

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